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Der Anschlag

Nach achtjähriger Abstinenz kehrt Jack Ryan wieder auf die Leinwand zurück. In der vierten Clancy-Verfilmung "Der Anschlag" ("The Sum Of All Fears") übernimmt Ben Affleck die Rolle des smarten CIA-Analytikers und beerbt seine Vorgänger Alec Baldwin ("Jagd auf Roter Oktober"/1990) und Harrison Ford ("Die Stunde der Patrioten"/1992, "Das Kartell"/1994). Regie-Altmeister Phil Alden Robinson liefert einen hochspannenden, technisch perfekten Polit-Action-Thriller à la Hollywood - blendende Unterhaltung mit einem nicht zu verhehlenden Realitätsanspruch.

Morgan Freeman
Im Jahr 1973 wurde ein israelischer Kampfjet über den Golanhöhen abgeschossen. Der atomare Sprengkopf an Bord detoniert jedoch nicht, gräbt sich stattdessen in den tiefen Wüstensand ein. Knapp 20 Jahre später wird er von Einheimischen durch Zufall wieder ausgegraben. Die zwei Araber wittern ein Geschäft und wollen die demolierte Bombe verkaufen. So gelangt die Nuklearwaffe über einen Zwischenhändler an den österreichischen Neofaschisten und Großindustriellen Anton Dressler (Alan Bates) und seine kriminelle Gruppierung. Sie planen, die Supermächte USA und Russland in einen Krieg zu treiben, um anschließend von der neuen Weltordnung zu profitieren. Bei den Amerikanern durchschaut zunächst niemand das falsche Spiel. Weder Präsident Fowler (James Cromwell) samt Beraterstab, noch CIA-Boss Cabot (Morgan Freeman). Nur der junge Analytiker Jack Ryan (Affleck), ein ausgesprochener Russland-Experte, ahnt, was gespielt wird. Ryan glaubt, den neuen, nahezu unbekannten russischen Präsident Nemerov (Ciaran Hinds) richtig einschätzen zu können. Als die Terroristen mit der Bombe einen Anschlag auf das Super-Bowl-Finale in Baltimore verüben - der Präsident kann gerade noch entkommen - steht die Welt vor einem vernichtenden Atomkrieg. Die Amerikaner gehen davon aus, dass die Russen das Inferno verursacht haben und rüsten zum Gegenschlag. Ryan versucht mit Hilfe des kompromisslosen Undercover-Spezialisten John Clark (Liev Schreiber), die nötigen Fakten zu fnden, um die absehbare Katastrophe zu stoppen.

Bei seinem mittlerweile vierten Kino-Einsatz wird der Jack-Ryan-Charakter nun schon vom dritten Schauspieler verkörpert. Wenn man sich erstmal an die Unlogik, Baldwin (geb. 1958) und Ford (geb. 1942) sind deutlich älter, gewöhnt hat, spielt es keine Rolle mehr. Denn Ben Affleck (geb. 1972), der mit "Spurwechsel" und eben "Der Anschlag" seine lustlose Vorstellung im Bay/Bruckheimer-Rohrkrepierer "Pearl Harbor" wieder wettmacht, zeigt eine äußerst engagierte Performance. Er gibt seinen Ryan glaubhaft als jungen, dynamischen Denker, der die Hintergründe durchschaut und verzweifelt versucht, die richtigen Leute von seiner Meinung zu überzeugen. Gemeinsam mit Bridget Moynahan ("Weil es dich gibt") darf er die romantische Komponente vertiefen, auch wenn dieser Storyteil verdammt an Nicolas Cage und Vanessa Marcil in "The Rock" erinnert.

Nach zehnjähriger Leinwandpause liefert Regisseur Phil Alden Robinson ("Sneakers", "Feld der Träume") ein starkes Comeback. Er verzichtet in seiner Mischung aus Polit-Thriller und Action-Drama auf den großen Overkill an Detonationen und Explosionen. Der spektakuläre Höhepunkt seiner spannenden Hatz, die Zündung der Nuklearbombe, ist fast schon zurückhaltend inszeniert, verfehlt durch das feine Understatement aber gerade seine Wirkung nicht. Die Folgen der verheerenden Explosion sind fast lautlos und in verwaschenden Farben von Kameramann John W. Lindley ("E-Mail für dich", "Pleasantville") eingefangen. Einzig die Tatsache, dass sich niemand so recht um die radioaktive Strahlung zu scheren scheint, mindert etwas den Realitätsanspruch. Eben diesen hat auch Romanautor Tom Clancy, der unter den Schriftstellern als DER Experte für das US-Militär gilt. Robinson ist akribisch genug, Clancys Kenntnisse in den Film zu transportieren, weiß aber natürlich auch, dass der Hardliner Clancy mit gewisser Vorsicht zu genießen ist. Deshalb mussten auch alle Verfilmungen stets etwas glattgebügelt werden.

Ben Affleck in Mission
Im Zeichen politischer Korrektheit treten an die Stelle von arabischen Terroristen, denen Clancy im Roman (dt: "Das Echo aller Furcht") den Anschlag auf den Leib geschrieben hatte, europäische Neofaschisten. Dass "Der Anschlag" durch die Geschehnisse vom 11. September zusätzliche Brisanz gewinnt, konnten die Produzenten nicht ahnen. Der Dreh begann bereits im März 2001 und das Buch erschien schon im Jahr 1991. Anders als bei Terror-Reißern wie "Collateral Damage" oder "Passwort: Swordfish" dürfte die Hysterie und veränderte Weltanschauung nach dem Terrorangriff auf das Word Trade Center dem Film kommerziell nicht schaden, da sich der "Der Anschlag" für einen Hollywood-Film ungewohnt seriös mit dem Thema auseinandersetzt.

Auch dem starken Cast ist es zu verdanken, dass "Der Anschlag" von der ersten bis zur letzten Minute fesselt. Robinson dreht die Spannungsschreibe stetig an, bis zum Finale, das sich leider in den Konventionen des typischen Mainstream-Kinos verliert. Ein bisschen mehr Mut hätte hier sicher gut getan. Morgan Freeman, der sich im zweiten Teil verabschieden muss, agiert souverän, verkauft sich aber etwas unter Wert, weil er nicht voll gefordert wird. Das gleicht das Trio James Cromwell ("L.A. Confidential"), Ron Rifken ("L.A. Confidential") und Bruce McGill ("The Insider"), das sich packende Rededuelle liefert, aber wieder aus. Dazu kommt noch die starke Leistung von "Scream"-Veteran Liev Schreiber ("Kate & Leopold"), der als eiskalter Vollstrecker im Untergrund auf ungewohntem Terrain punkten kann.

So kann sich "Der Anschlag" insgesamt zumindest mit den beiden Ford-Abenteuern "Die Stunde der Patrioten" und "Das Kartell" messen. Das psychologische Säbelrasseln von Alec Baldwin und Sean Connery in "Jagd auf Roter Oktober" bleibt allerdings unerreicht. Doch eines ist sicher: Die Figur des Jack Ryan wird nicht ihren letzten Kinoauftritt absolviert haben.

Carsten Baumgardt

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