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Quo vadis, Filesharing?

Nichts für ungut, die Herren von BMG Ariola, Sony Records, 20th Century Fox, Microsoft und wie Ihr alle heißt, aber wir Verbraucher wissen längst, wie man schnell an Musik, Filme, Bücher, Software und sonstige Späße kommt, und zwar ohne einen Cent (doch, vielleicht zehn oder zwanzig für die Internetgebühr) zu bezahlen.

Grokster
Ja, ja, das geht auch ohne Napster. Und auch ohne Audiogalaxy. Das längst bekannte Zauberwort, das einen Zauberhut mit allem möglichen downloadbaren Zeugs erscheinen lässt, heißt P2P oder ausgeschrieben, peer-to-peer. Programme wie Bearshare, Kazaa oder Xolox sind bereits Allgemeingut. Menschen, die im Besitz dieser kleinen (Größe im Schnitt: 0,5 – 3 MB) Helfer sind, können sich nach Belieben die Festplatte mit allem möglichen Kram füllen. Im Gegensatz zu Napster und Audiogalaxy kann so ein System auch schwerlich verboten werden: P2P funktioniert wie eine Ausleihe unter Freunden: Ich sehe bei jemandem eine CD, die mir gefällt, ich leihe sie mir aus und brenne sie. Oder eine Videokassette oder Software oder ein Buch. Oder ich spare mir den Fußweg und lade mir alles aus ebenjenem weltweiten Netzwerk mit dem schönen, aber seltsamen Namen Gnutella (Hat nichts mit Schoko-Aufstrich zu tun!) runter. Da es dort keinen zentralen Anbieter gibt, sondern "normale" Leute unter sich Sachen austauschen, kann man vom legalen Standpunkt aus dort kaum etwas verbieten.

Und so wird P2P langsam zum beliebten Volkssport. Mittlerweile ist die Technik auch so gereift, dass das Downloaden relativ problemlos funktioniert. Und so verbringt der eine oder andere seine Zeit in den (endlichen) Weiten von Gnutella. Ein wenig erinnert die Prozedur an Angeln: Man wirft die Angel rein, wartet bis etwas "anbeißt" und versucht, das Ding aus dem "Wasser" zu ziehen. Dabei ist es – wie beim Angeln – oft so, dass den meisten Spaß nicht das Erlangte an sich bereitet, sondern der Vorgang des "Angelns". Jägerinstinkt lässt grüßen! Das Schöne – aber, wie es sich im Folgenden zeigen wird, auch das höchst Bedenkliche – ist, dass es umsonst ist. Für nichts! Einfach hineingrapschen und herausholen! Den Musikfreund freut's, die Musikindustrie ärgert's, und das freut den Musikfreund um so mehr, da er normalerweise – nicht ganz zu Unrecht – käufliche Musik sowieso für überteuert und die Plattenbosse für Abkassierer hält.

Soviel zum Status quo. Nun der – meines Erachtens etwas pessimistische – Ausblick. Es gibt zwei große Probleme bei P2P: das erste ist die Kostenlosigkeit, das zweite die Unkontrollierbarkeit.

Kazaa
Problem 1: Es mag kurzfristig ja ganz schön sein, dass man für umsonst nach Musik fischen kann. Langfristig gedacht jedoch ergibt sich folgendes Szenario. Immer mehr Menschen werden einen Computer haben. Immer mehr Menschen werden Gnutella-Nutzer sein. Die Datenübertragung wird immer schneller. Computer werden einen immer größeren Teil des täglichen Lebens und damit der Weltwirtschaft einnehmen. Die entsprechende Software (plus natürlich die Unterhaltungsmedien wie Film, Musik, Unterhaltungssoftware) wird aber – selbstverständlicherweise – immer weniger gekauft und immer mehr aus dem Netz heruntergeladen werden.

Auf Dauer ist so etwas für die Wirtschaft extrem schlecht, ganze Industriezweige werden finanziell vor dem Aus stehen. Es wird sich außerdem ein Stillstand in puncto Weiterentwicklung einstellen, denn wer wird noch vernünftigerweise in neue Projekte investieren wollen, wenn er weiß, dass er nicht mehr als ein paar Dutzend Produkte verkaufen können wird? Der Rest der Menschheit wird es natürlich aus dem Netz herunterladen. Diese Gefahr ist, obwohl sie zur Zeit sich noch wie eine Utopie aus einem schlechten Roman anhört, nicht zu unterschätzen. Menschen neigen nun einmal dazu, Vorteile für sich auszunutzen, ohne an die möglichen Folgen zu denken.

Problem 2: Es ist schon schwer genug, Server mit illegalem Inhalt aus dem "regulären" Internet zu nehmen. Erst recht ist es kompliziert, das inoffizielle Gnutella-Netzwerk zu überwachen. Sachen wie Kinderpornographie und Anleitungen zum Bombenbau sind inzwischen wie selbstverständlich erhältlich. Um sie aus dem Netzwerk zu entfernen, benötigt man einen Riesenaufwand, denn – wie gesagt – es gibt keinen Zentralserver, den man einfach so abschalten kann. Nun gut, aber man kann theoretisch die IP- Adresse von jedem Nutzer mit diesem Schmuddelkram herausfinden, ihn orten, in der Wohnung aufsuchen und den Computer beschlagnahmen. Das würde funktionieren, gäbe es nicht eine neuartige Erfindung aus den USA: Freenet.

Freenet hat nichts mit dem deutschen Internet-Provider zu tun. Freenet ist ein P2P- Protokoll wie es auch Gnutella ist. Das Neue daran ist: Es entzieht die Information komplett dem Zugriff des Computer- Eigentümers. Das heißt: Man "spendet" einen Teil seiner Festplatte dem Freenet-Netzwerk und verliert ab diesem Zeitpunkt sofort die Verfügungsgewalt darüber! Man weiß nicht mehr, welche Information dort abgelagert ist. Man ist wie ein Kurier, der von seiner Fracht keinen blassen Schimmer hat. Die Information im Freenet organisiert sich selbständig und kopiert sich automatisch dorthin, wo sie gerade am meisten gebraucht wird.

Das Ganze ist somit ein flexibler Brei von Bits und Bytes, den man überhaupt nicht unter Kontrolle bekommt. Jegliches Überwachen und Verfolgen ist damit völlig ausgeschlossen. Die Verfechter dieser Idee rechtfertigen sie mit der – für die Amerikaner noch wichtigeren als für uns – Meinungsfreiheit, die nach amerikanischem Recht fast überhaupt nicht eingeschränkt werden kann. Was dabei, wie unser Altbundeskanzler sagte, "hinten rauskommt", ist noch völlig unvorstellbar.

Ein kostenloser und jeglicher Kontrolle entzogener Bedien-Dich- Pool – die moderne Version des Kommunismus?

Alexander Archangelskij

Links:
SPIEGEL online: Napster? Was für ein Napster?
SPIEGEL online: Was hat Sharman mit KaZaA vor?
heise online: Internet-Tauschbörsen im Vergleich

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