King ArthurDem sagenhaften König Artus kommt in Großbritannien eine ähnliche Bedeutung zu wie in Deutschland dem Kaiser Barbarossa: Eine im Glorienschein der Legende verklärte Lichtgestalt, Symbolfigur für eine mythische bessere Welt und ein vergangenes, goldenes Zeitalter aus Frieden und Gerechtigkeit vor dem Hintergrund des düsteren Zeitalters der Sachsenkriege.
Allen diesen Filmen war gemein, daß sie die Figur Artus so wie auch die zahlreichen literarischen Adaptionen im Kontext des Hochmittelalters darboten, also umgeben von mutigen Rittern, edlen Damen, Minne und Turnieren, ergo vor dem Hintergrund des Zeitalters, in dem Geoffrey von Monmouth seine "Historia Regnum Britanniae" verfasste, in der der Sagenkönig ausführlich Erwähnung fand. Mit dem historischen Artus dürfte diese Ära allerdings nicht das Allergeringste gemein haben. Der lebte nämlich, falls es ihn überhaupt gab, Ende des fünften und Anfang des sechsten Jahrhunderts nach Christus. Auf diesen historischen Kern der Artus-Sage berufen sich nun Jerry Bruckheimer und Antoine Fuqua: Runter vom efeu- und lorbeerumkränzten Sagen-Sockel und rein ins Kampfgetümmel, lautet das Credo des Blockbuster-Produzenten und des Action-Regisseurs, der nach "Training Day" einen Oscar für seinen Hauptdarsteller Denzel Washington verbuchen konnte. Befreit vom Legendenballast, von Minnegesang, Turniergeklapper und mythischem Brimborium um Merlin, Morgana, Mordred und das magische Schwert Excalibur sollte der entmystifizierte Keltenkönig in "King Arthur" als möglichst physische Kriegergestalt gegen die barbarischen Sachsen zu Felde reiten. Ein anspruchsvolles Unterfangen, welches sich nur dummerweise kaum mit dem quietschbunten Baukastensystem eines Bruckheimer'schen Popcorn-Blockbusters verträgt. "King Arthur" versucht den Spagat, ein naturalistisches Historienspektakel im Stil von Mel Gibsons "Braveheart" mit dem familien- und massenkompatiblen Mainstream-Entertainment von "Fluch der Karibik" in Einklang zu bringen und scheitert auf hohem Niveau. Drehbuchautor David Franzoni macht aus dem mythischen König von Camelot den römischen Kommandanten eines Elitetrupps gepanzerter sarmatischer Reiter. Dafür erlauben sich Franzoni und Fuqua an anderer Stelle wiederum Freiheiten von geradezu bizarrer Unlogik: So reiten der Film-Artus und seine Sarmaten, eine Art antiker Delta-Force-Einheit für Kommando-Unternehmen in feindlich besetztem Gebiet, um 450 über britische Wiesen. Tatsächlich zogen die letzten römischen Besatzer aber bereits 410 ganz offiziell auf Geheiß des weströmischen Kaisers Honorius von der Insel ab. Um 450 hingegen versank das weströmische Reich bereits, durch germanische Vorstöße der Völkerwanderung tödlich verwundet, nach dem Mord an dem Heermeister Aetius (454 nach Christus), dem "letzten wahren Römer", endgültig im Chaos.
Wirklich leid tun kann einem Til Schweiger: Als Cedric-Junior Cynric spielt der Deutsche in tragischer Weise die Rolle seines Lebens: Cynric versagt sowohl als Sohn als auch militärischer Führer der Sachsen im Kampf, wird von seinem Vater ebenso abgelehnt wie von seinen eigenen Leuten und stolpert in der finalen Schlacht am Mount Baddon mitleiderregend orientierungslos durch das blutige Getümmel, als wolle noch nicht einmal jemand mit ihm kämpfen. Nicht nur mit den martialisch bemalten Pikten und ihrem Vietcong-Kampfstil nimmt "King Arthur" deutliche Anleihen beim Western und beim klassischen japanischen Samurai-Film. Doch auch das Vergnügen der Schlachtszenen, deren finaler Höhepunkt sich deutlich an Gibsons "Brave Heart" und an Emmerichs "Patriot" orientiert, ist nicht ungetrübt, leiden sie doch in Folge der von Disney durchgesetzten Schnitte am Gladiator-Syndrom und wirken trotz fulminanten Gemetzels und hohen Bodycounts allzu anämisch.
So bleibt denn von einem prächtig inszenierten und ausstaffierten, allerdings auch völlig unhistorischen Historienspektakel nicht viel wirklich Tiefschürfendes in Erinnerung haften. Johannes Pietsch |