Die Flick-Collection im Hamburger Bahnhof

Seit dem 22. September ist sie - von vielen sehnsüchtig und lang erwartet - nun endlich eröffnet: Die nicht unumstrittene Friedrich-Christian-Flick-Collection im Berliner Hamburger Bahnhof. Gelegenheit für eine erste, kurze Annäherung.

Im Vorfeld schlugen die Wellen der Diskussion hoch: Empörend, unnötig, unangemessen, großartig, eine Chance für die Kunst und die Stadt Berlin. Mit diesen Schlagwörtern ist ungefähr umrissen, zwischen welchen Polen sich die Debatte um die Flick-Collection bewegte. Schließlich hatte Berlin mit dieser Leihgabe keinen leichten Fang gemacht, ist doch Friedrich Christian Flick der Enkel des Magnaten Friedrich Flick, der seit den frühen 20er Jahren, vor allem aber im Dritten Reich eine einflußreiche Stellung innerhalb der deutschen Großindustrie einnahm und 1947 in Nürnberg wegen seiner Verstrickung in die Verbrechen der Nationalsozialisten verurteilt worden war. Schlimmer noch, Flick senior hatte vom Krieg erheblich profitiert und Tausende von Zwangsarbeitern beschäftigt.

"Blutgeld" sei der Grundstock für die Sammlung des Enkels gewesen, meinten viele Kritiker, denn nach dem Tode des Großvaters wurde dessen Erbe unter der Verwandtschaft aufgeteilt. Der Enkel nun, Friedrich Christian Flick, investierte seinen Erbteil hauptsächlich in Kunst. Nebenbei gründete er eine in Potsdam ansässige Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, zahlte allerdings nicht den Fonds zur Entschädigung der Zwangsarbeiter ein.

Der Streit um das Erbe und die Verantwortung der Enkelgeneration ist an dieser Stelle nicht auszutragen, schon gar nicht zu schlichten. Es ist ein schwieriges Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte.

Also zur Kunst: Zweifellos ist die Flick-Sammlung eine der bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Namen wie Bruce Naumann, Martin Kippenberger oder Marcel Duchamp sprechen für sich - viele weitere könnten noch aufgezählt werden. In ansprechendem Ambiente im wunderbaren Hamburger Bahnhof und den zur Kunstheimstatt umgebauten angrenzenden Rieck-Hallen präsentieren sich die Werke nun in Berlin. Zur Orientierung der Besucher entwickelte Kurator Eugen Blume 18 thematische Kapitel - u.a. "Große Geister", "Schöpfungsmythos", "Halbwahrheit" oder auch "Heimat". So kann der Flaneur wohlportioniert die modernen Skulpturen, Bilder oder Objekte auf sich wirken lassen, sich künstlerische Fragen nach Intention und Form stellen und um Antworten ringen.

Die Kunst spricht für sich - der Streit um Flick wird weitergehen.

Stefan Ewert

Link:
Der Hambuger Bahnhof