Deutsches Theater BerlinDie HermannsschlachtEin großes R prangt an der Bar, der Rezeption, am Fahrstuhl und auf der Kleidung der Angestellten – Corperate Identity eines Luxus-Hotels. In pastellfarbener Lounge-Umgebung spielt ein einsamer Keyboarder Dudelmusik. Hermann der Cherusker, inzwischen nicht mehr der Jüngste, ist Empfangschef in diesem Hotel, in dem auch seine Frau Thusnelda arbeitet. Die Gäste sind – wer sonst? – die Römer, die sich in weißen Bademänteln faul im Foyer herumräkeln, von Barkeeper Aristan Cocktails serviert bekommen und sich von den Reinigungskräften Eginhardt und Getrud hinterherputzen lassen.
Jörg Gudzuhn spielt seinen Hermann durchaus nicht als den edlen Deutschen, als der der Cherusker in der Entstehungszeit des Dramas, in romantischer Deutschland-Begeisterung, gern gesehen wurde. In der schwächeren Position zunächst unterwürfig und kriecherisch, später brutal rachsüchtig den Römern gegenüber, lässt sich Hermanns zukünftige Entwicklung zum neuen starken Mann, zum Warlord, schon erahnen. In weiteren Hauptrollen überzeugen Katharina Linder (Thusnelda), Frank Seppeler (Ventidius) und Gabriele Heinz (Gertrud), der Rest des Ensembles bleibt in der zweiten Vorstellung bei weitgehend soliden Leistungen eher blass.
Hermann & Co. ganz unheroisch: Kühnel wirft mit diesem ernüchterten Ende behutsam und subtil aktuelle Fragen auf: Wie lange kann Freiheitskampf als gerechte Sache gelten, ab wann wird er zum Terror? Muss das Machtvakuum nach einer Gewaltherrschaft notwendig wieder durch eine autoritäre Gesellschaftsform ausgefüllt werden, damit ein Land nicht im Chaos versinkt? Entwickeln sich die Sieger zwangsläufig zu neuen Unterdrückern? Damit liefert dieser differenzierte Theaterabend, der eher still und unterschwellig brodelnd als laut und lärmend über die Bühne geht, einen Kommentar zu den aktuellen Konflikten dieser Welt und gibt Anstoß zum Weiterdenken in vielerlei Richtungen. Nora Mansmann Link: |