Italienische Irrungen und Wirrungen

Peter Schneider: Skylla

24.03.2005

Um es gleich vorwegzunehmen: Mit seinem neuen Roman »Skylla« ist dem Wahlberliner Peter Schneider, der sicherlich zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Deutschlands zählt, ein bunter Bilderbogen gelungen. Dem amüsierten Leser wird auf gut 300 inhaltsreichen Seiten eine Geschichte erzählt, für die andere Schriftsteller möglicherweise zwei oder drei Bücher benötigen würden. Auf diese Weise bietet Schneiders Handlung mancherlei Haupt- und Nebenstränge, die durchaus kunstvoll miteinander verwoben sind.

Peter Schneider: Skylla
Foto: Rowohlt
Doch keine Sorge: Die erzählerische Vielschichtigkeit des Werkes bietet keinen Anlass zu Verwirrung, sondern ist einzig Ausdruck des großen Talents Schneiders, trotz vieler Details und Abschweifungen das Wesentliche im Blick zu behalten. Denn »Skylla« ist die Geschichte der Berliner Familie Brenner, die beschließt, an der Küste des wildromantischen Latiums ein Sommerhäuschen zu errichten.

Nun wäre schon allein dieses – mitunter schwierige – Vorhaben ein eigenes Büchlein wert. Zu eigentümlich, fast schon grotesk sind die Probleme, auf die die Familie mit italienischen Sitten und Gebräuchen, mit Menschen und Behörden stößt. Schneider, der viele Monate in Italien verbracht hat, weiß offenbar, wovon er schreibt.

Doch mit dieser komödiantischen Schilderung gibt sich der Autor nicht zufrieden. Er entführt den arglosen Leser unversehens in die Geheimnisse römischer Kaiser und antiker Mythologie. Die »Skylla«, jenes grausame Seeungeheuer, das schon dem listenreichen Odysseus zu schaffen machte, ergreift nun auf merkwürdige Weise auch Besitz von beiden Eheleuten.

In der Lebendigkeit seiner Sprache liegt die große Stärke Schneiders. Doch ein kleiner Wermutstropfen mischt sich dann doch in die sonst so gelungene Melange: Warum nur versucht Schneider offenbar, seine eigene Vergangenheit als Vorkämpfer der gescheiterten 68er-Bewegung unbedingt innerhalb dieses Buches zu thematisieren? Ist das der Versuch einer nachträglichen Legitimation? Diese – glücklicherweise wenigen – Passagen erweisen sich jedenfalls letztlich als vollkommen überflüssig.

Allerdings: Bei so überschäumender Erzählfreude, wie sie Schneider mit »Skylla« unter Beweis stellt, sei ihm dieses marginale Manko leichterhand verziehen.

Stefan Ewert

Link:
Rowohlt-Verlag

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