Falsch oder richtig? Die Rechtschreibreform

Wer hätte das gedacht: Im müden Sommerloch kocht mit einem Mal die längst erledigt geglaubte Rechtschreibreform wieder hoch. Besser gesagt, die Reform der Rechtschreibreform, die im August 2005 verbindlich in Kraft treten soll. Lohnt sich der Streit überhaupt?

Debatte um Rechtschreibreform: Nur ein Sommerloch-Streit?
Foto: duden.de
Immerhin haben nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die schon im Jahr 2000 zur alten Schreibweise zurückkehrte, nun auch die Verlage Axel Springer und Spiegel beschlossen, in ihren Zeitungen und Magazinen künftig nach einer eigenen Orthografie-Version, angelehnt an die alte Rechtschreibung, zu publizieren.

Schaden kann das eigentlich nicht, sind doch viele der neuen Regeln für viele Bürger eher unverständlich und unnötig. Diese Klientel, die sicherlich auch im privaten Briefverkehr wohl kaum ein "daß" mit einem Doppel-S schreiben würde, hätte kaum etwas gegen die Rückkehr zu den alten Regeln einzuwenden. Doch gerade dieser Personenkreis zeichnet sich durch eine weitere Eigenschaft aus: Die meisten von ihnen haben Kinder in schulpflichtigem Alter.

Und hier beginnt das Problem: Kann man wirklich wollen, dass in Deutschland – die anderen an der Reform beteiligten Länder wie Österreich oder die Schweiz wollen an der neuen Orthografie festhalten – parallel zwei unterschiedliche Schreibweisen nebeneinander existieren? Dass Eltern Schwierigkeiten haben, ihren Kindern bei den Deutsch-Hausaufgaben zu helfen, weil sie plötzlich Unsicherheit über die korrekte Rechtschreibung befällt?

Diese Entwicklung, übrigens schon jetzt im Gange, ist im Prinzip für das PISA-geschädigte Deutschland fatal. Daher war und ist die Rechtschreibreform von Beginn an überflüssig wie ein Kropf gewesen. Nur: Millionen von Kindern haben in den Schulen seit Jahren eben diese neue Orthografie gelernt und können keine andere. Diese Schülergeneration ist für die alten Regeln bereits verloren. Es gilt jetzt abzuwägen, ob die Älteren oder die Jüngeren jeweils die Hauptlast einer erneuten Reform der Reform zu tragen hätten.

Eines sollte es aber nicht geben: Dass jeder so schreibt, wie er persönlich es für richtig hält. Die Regeln sollten verbindlich, nachvollziehbar und verlässlich sein. Ob sich dies nach der alten oder der neuen Rechtschreibung richtet, ist eher sekundär. Deswegen müssen sich die Kultusminister der Bundesländer sowie die Ministerpräsidenten auf ihren anstehenden Konferenzen zu einer klaren Entscheidung für oder gegen die Einführung der neuen Orthografie durchringen. Anschließend sollten dann auch die Zeitungsverlage noch einmal neu nachdenken. Und auch der Bürger wird sich dann entscheiden müssen – er kann einem jetzt schon leid tun (oder Leid tun?).

brainstorms publiziert auch weiterhin seine Artikel nach der neuen Rechtschreibung.

Stefan Ewert

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