11'09'01
Ein zweifelhaftes Werk: Der Film "11'09'01 - September 11"
Es war ein ambitioniertes Projekt: 11 Regisseure, darunter so illustre
Namen wie Sean Penn oder Ken Loach, aus 11 verschiedenen Ländern, von
Iran bis Burkina Faso, bieten in jeweils 11 Minuten, 9 Sekunden und einem
Bild 11 ganz persönliche Visionen und Verarbeitungen der schrecklichen
Ereignisse vom 11. September 2001 in New York. Entstanden ist dabei ein
Film, der bisweilen einen faden Beigeschmack hinterläßt.
"Die Regisseure erfassten das Thema und brachten ihre Sicht der Ereignisse
zum Ausdruck, geleitet von den Sorgen und Anliegen ihres eigenen Landes und
ihrer eigenen Geschichte. Der Film bringt unterschiedliche Prioritäten und
Engagements zum Audruck. Jede Meinung ist frei und in völliger Gleichberechtigung
zum Ausruck gebracht. Diesem filmische Mosaik liegt kein Konsens zugrunde."
Auf diese Weise umschrieb der künstlerische Produzent, der Franzose Alain
Brigand, die Intention des Films.
In der Tat sind die Beträge sehr individuell geworden: Beeindruckend schlicht
ist gleich der erste Film der erst 22-jährigen iranischen Regisseurin Samira
Makhmalbaf, in dem eine afghanische Lehrerin im iranischen Exil versucht,
ihren Schülern die Dimension der Anschläge begreifbar zu machen. Ohne falsches
Pathos, aber trotzdem sehr intensiv ist auch der zweite Beitrag. Der Franzose
Claude Lelouch (u.a. La Belle Histoire, 1992) zeigt darin eine taubstumme Frau,
die ihren Geliebten, der als Fremdenführer in New York arbeitet, am 11.
September verlassen will.
Geradezu mit komödiantischer Leichtigkeit nähert sich Idrissa Ouedraogo aus
dem westafrikanischen Burkina Faso dem Thema: Fünf Schuljungen aus Ouagadougou
haben Bin Laden in ihrer Stadt entdeckt. Als sie vom auf ihn ausgesetzten Lösegeld
erfahren, beginnen sie mit einer rasanten und abstrusen Jagd. Dieser Betrag ist
sicherlich einer der ungewöhnlichsten des gesamten Films. Ähnlich gelungen ist
auch die Umsetzung durch den US-Amerikaner Sean Penn, in dem ein New Yorker Witwer,
gespielt übrigens von Ernest Borgnine, im Schatten der Twin Towers die Ereignisse
erlebt.
Neben einigen eher leisen Beiträge - u.a. von Danis Tanovic (Bosnien-Herzegowina)
oder Mira Nair (Indien) - finden sich jedoch auch leider sehr zweifelhafte, ja
bisweilen ärgerliche Auseinandersetzungen mit dem Thema. Zwiespältig ist
beispielsweise die äpyptische Reflexion von Youssef Chahine (u.a. Der sechste Tag,
1986). Hier trifft der Regisseur in seiner Phantasie auf einen in Beirut gefallenen
GI und einen palästinensischen Selbstmordattentäter und versucht, sich mit ihren
Standpunkten auseinanderzusetzen. Allerdings versäumt er es, klar Position zu
beziehen. Stattdessen relativiert er, indem er amerikanisches Unrecht der Vergangenheit
und die Verbrechen der Selbstmörder in Israel unangemessen miteinander vergleicht.
Ähnlich auch der britische Beitrag von Ken Loach: Der Londoner Exil-Chilene Vladimir
Vega erinnert sich anlässlich des 11. September 2001 an den von der CIA unterstützten
Putsch von General Pinochet gegen Präsident Allende am 11. September 1973. Auch hier
werden vergangenes und gegenwärtiges Unrecht gegeneinander aufgerechnet, so daß der
offenbar gewollte Eindruck entsteht, die USA seien selbst Schuld an den jüngsten
Terroranschlägen.
Wegen dieser Entgleisungen hinterläßt der Film "11'09'01 - September 11" stellenweise
eher einen fragwürdigen Eindruck. Insgesamt gesehen ist jedoch eine interessante, wenn
auch diskussionswürdige Auseinandersetzung mit einem Datum enstanden, auf das es keine
einfachen Antworten geben kann.
Stefan Ewert
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