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Die fabelhafte Welt der Amélie

Ein kleines Stücken Zelluloid kann zwar nicht die Welt verändern, sie aber für zwei Stunden zu einem wunderbaren Flecken Erde machen.

Die junge Amélie Poulain ist ein verschlossenes Mädchen, welches es blendend versteht ihr Leben ungenutzt an sich vorbeiziehen zu lassen. Doch an einem Tag im August 1997 sollte sich das ändern. Hinter einer losen Kachel im Badezimmer entdeckt sie eine Schachtel mit Spielzeug welche sich wahrscheinlich schon jahrzehntelang dort befunden hat. Nun verspricht sie sich eines: Sollte sie den Besitzer dieser Schachtel ausfindig machen und dieser vor Rührung weinen, würde sie ihr weiteres Leben in den Dienst der guten Sache stellen und anderen Menschen Gutes tun. Ihr Plan geht auf, und von diesem Zeitpunkt an versucht sie alles, um ihren Mitmenschen das Leben ein wenig zu erleichtern. Dabei steckt sie ihre persönlichen Bedürfnisse zurück, doch das wird ihr erst klar als sie Nino trifft. Sofort ist sie Feuer und Flamme für ihn, doch so sehr sie es versteht andere Menschen glücklich zu machen, desto unbeholfener ist sie dabei, ihrer Sehnsucht nachzugeben...

"Die fabelhafte Welt der Amélie" erzählt eine wunderbare Geschichte über das Leben, die Liebe und ein Mädchen, welches es zwar versteht Glück in die Herzen anderer zu zaubern, sich aber selbst lieber im Hintergrund hält und ihre Bedürfnisse dadurch vernachlässigt. Amélie ist ein Schatz: Sie spielt Weihnachtsmann für gebrochene Herzen, ist Racheengel für Unterdrückte, bringt die Welt zu jenen, welche sie nicht selbst besichtigen können, verkuppelt Paare und schickt sogar einen Gartenzwerg auf Weltreise. Das alles macht sie nur um ihren Mitmenschen ein Lächeln auf das Gesicht und Wärme ins Herz zu treiben. Amélie ist auf den ersten Blick ein recht sonderbares Mädchen, doch diese Meinung muss man bei näherer Betrachtung revidieren. Es sind die kleinen Dinge des Lebens welche sie erfreuen. Wenn sie z.B. mit der Hand durch einen Sack Bohnen streicht oder sich im Kino die Gesichter der anderen Zuschauer ansieht, so ist ihr das mehr wert als jeder Reichtum dieser Welt.

Noch selten zuvor war mir ein Charakter in einem Film so sympathisch wie Amélie. Mit ihren großen schwarzen Augen, ihrem kindlichen Lächeln und ihrer blühenden Fantasie kann man sich ihr nur schwer entziehen. Ursprünglich war für diese Rolle Emily Watson im Gespräch, doch diese lehnte nach anfänglicher Zusage ab. Audrey Tatou konnte dies nur recht sein, stehen der 23jährigen Französin durch Amélie jetzt wohl sämtliche Türen für eine großartige Karriere offen. So wie bei Tatou bewies Regisseur Jean-Pierer Jeunet (der vor diesem Film das unsägliche "Alien 4" gedreht hat) auch bei sämtlichen anderen Schauspielern ein goldenes Händchen. Matthieu Kassovitz, Rufus, Dominique Pinon, Serge Merlin (und wie sie alle heißen) liefern eine grandiose Leistung und nur die Tatsache, dass diese Charaktere welche sie spielen nur fiktive Personen sind, stimmt ein wenig traurig.

Amélies Welt ist geprägt durch surrealen Witz und Wärme und sie lebt durch ihre blühende Fantasie. Passphotos unterhalten sich hier schon mal mit ihrem Besitzer und die Nachttischlampe schaltet sich von selbst aus wenn Amélie bereits schläft. Der trocken-ironische Kommentar aus dem Off ist stets präsent und beginnt den Film damit zu erzählen, warum aus der kleinen Amélie so ein schüchternes Mädchen geworden ist. Die Mutter hat sie schon sehr früh verloren und ihr Vater scheute den körperlichen Kontakt zu ihr. Ihre allzu große Leichtgläubigkeit und ihr selbstmordgefährdeter Goldfisch sorgten dann noch für einige zusätzliche Komplexe.

Doch dann befinden wir uns wieder im hier und jetzt und die Offstimme führt jeden Charakter mit einer Auflistung jener Dinge ein, welche er mag und welche er nicht mag. Und genauso wie Amélie schließt man auch ihre Mitmenschen sofort ins Herz. Da wäre z.B. ihr Nachbar Raymond, der aufgrund einer angeborenen Krankheit (seine Knochen brechen bei der geringsten Berührung) nur selten seine Wohnung verlässt oder Joseph, der tagein und tagaus im Kaffeehaus sitzt und seine verlorene Flamme Gina auf Schritt und Tritt beobachtet. Auch für ihre Concierge Madeleine hat Amélie stets ein offenes Ohr und einzig Kaufmann Collignon kann sie absolut nicht leiden, schikaniert er doch seinen Gehilfen Lucien pausenlos. All diese Charaktere haben ihre persönliche kleine Geschichte welche man gerne hört und die einem unweigerlich ein Lächeln entlockt.

So sehr Amélie anderen Menschen helfen kann, desto unbeholfener fühlt sie sich dabei sich Nino vorzustellen. Dieser ist in seiner Art mindestens genau so ungewöhnlich wie sie. Als Kassier in einem Sexshop und Teilzeitskelett in der Geisterbahn ist es sein größtes Hobby, misslungene Passphotos zu sammeln und in ein Buch zu kleben. Für beide ist es Liebe auf den ersten Blick, doch Amélie weiß nicht, wie sie mit diesen neuen Gefühlen in sich fertig werden soll. Vergnügt kann man verfolgen, wie sie Nino eine Fährte nach der anderen legt, aber immer im letzten Moment einen Rückzieher macht. Auch hier geht ihre Fantasie des öfteren mit ihr durch und viele aberwitzige Szenen und humorvolle Dialoge sorgen dafür, dass keine einzige Sekunde Langeweile aufkommt.

Zahlreiche Nebenhandlungen und der Hauptstrang sind so wundervoll und menschlich auf die Leinwand gezaubert worden, sodass man diesen Film einfach lieben muss. Es gibt eigentlich gar nichts was man hier bemängeln könnte, aber dort wo es nichts zu kritisieren gibt, muss man sich eben etwas suchen.

So haben einige Besserwisser den Film deshalb verurteilt, weil das Stadtbild von Paris in keinster Weise jenem aus der Wirklichkeit entspricht. Dort wo sich normalerweise Touristenscharen drängen, die Straßen verdreckt sind und Graffitis die Hauswände zieren, sind im Film blitzblanke, helle Orte, frei von jedem Makel, zu sehen. Soll man das kritisieren, nur weil in Amélies Welt diese Stadt so existiert? Gegenfrage: Kritisiert man ein Märchen dafür, dass ein reicher Prinz stets ein Traummann ist und das arme, unscheinbare Mädchen diesen zum Schluss ehelicht? Eben!

Fazit: "Die fabelhafte Welt der Amélie" ist ein wunderbares Märchen in einer Welt, welche Märchen wie diese dringend nötig hat.

Claus Schlamadinger

Links:
offizielle Site: www.amelie-lefilm.com

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