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Berliner Platz (05): Zwischen Provinz und Pariser Platz

Der Widerstreit zwischen Provinz und Weltstadt, nirgendwo offenbart er sich so gern und häufig wie in Berlin. Kann in einer Großstadt und aufstrebenden "Metropole" Platz für Currywurst-Buden sein?

Der Pariser Platz auf der Ostseite des Brandenburger Tors galt früher als Berlins "gute Stube". Zu Mauerzeiten befand er sich in einem wahren Dornröschenschlaf. Seit der Wende aber ist er auf dem besten Weg zurück zu alter Qualität: Botschaften und Banken sind zurückgekehrt, und das Tor selbst leuchtet und strahlt seit seiner spektakulären Enthüllung am 3. Oktober 2002 wieder über den ganzen Platz.

Vom Pariser Platz nach Süden gehend, gelangt man zum Potsdamer Platz. Dieser war lange Zeit die größte Baustelle Europas, wenn nicht der Welt, und mittlerweile ist er ein wahrer Magnet für Touristen und Einheimische gleichermaßen geworden. Beide Plätze stehen für ein Berlin, das sich zwischen alt und neu einen Weg gesucht hat: Der Potsdamer Platz mit seinen himmelwärts strebenden Hochhäusern kann dabei eher als Versuch gelten, Berlin zur "modernen Metropole und Weltstadt" zu machen; der Pariser Platz hingegen eher als Hort der Tradition, da man hier deutlich bemüht war, sich an der alten Bebauung zu orientieren.

Wer von den Linden kommt und durch das Tor in Richtung Westen spaziert, gelangt rasch in den Tiergarten. Und wer schon einmal im Sommer dort gewesen ist, weiß, dass man an manchen Wiesen eigentlich nur mit einem feuchten Tuch vor dem Gesicht vorbeilaufen kann – weil die beißenden Rauchschwaden der Freizeit-Grillkönige einem sowohl Sicht wie Atem nehmen.

Während der Bauarbeiten am Pariser Platz gab es dort eine Currywurst-Bude, die aufgrund einer Ausnahmeregelung dort stehen durfte und für Bauarbeiter, Parlamentarier, Berliner und Touristen ein willkommener Anlaufpunkt war. Seit Abschluss der Arbeiten jedoch liegen Wurstverkäufer, Bezirksamt Mitte und Stadtentwicklungssenator Strieder (SPD) im Clinch. Das Bezirksamt fürchtet sich vor dem Fettgeruch in der "guten Stube" und der "Verschandelung" des Postkarten-Motivs, der Verkäufer um sein gutes Geschäft und Strieder will sich in seine eigenmächtig erteilten Ausnahmegenehmigungen nicht von einem Bezirksamt hineinreden lassen. Ausweichstandorte wurden diskutiert, Gerichte angerufen, Unterschriften für die Bude gesammelt – eine offenbar endlose Geschichte.

Inzwischen steht die Bude wieder, jedoch auf der Westseite des Tors, vor dem Liebermann-Haus. Und nun beschweren sich die Anwohner über die Wurstdünste... der Streit über den Fortbestand der Bude ist noch lange nicht ausgestanden. Die Weltstadt streitet über eine Wurstbude. Dabei ist Berlin als Heimatstadt der Currywurst und Laubenpieper schon immer wurst- und grillfreundlich gewesen. Erst jüngst für die Stadtwette bei "Wetten, dass...?" bewiesen die Berliner ihre Grill-Leidenschaft und kamen zu Hunderten – zum Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor...

Man sollte denken, so ein Streit sei kleinkariert und in Zeiten knapper Kassen überflüssig – aber gerade hier zeigt sich der provinzielle Zug Berlins in seiner schönsten Form. Unser Lösungsvorschlag daher: Currywurst und Brandenburger Tor sind lokale Symbole, mithin Wahrzeichen der Stadt. In der Kombination unschlagbar. Die Bude kehrt also an ihren alten Platz zurück und der Besitzer zahlt eine Sondersteuer für den prominenten Standort... so, wie darum gekämpft wurde, muss es tatsächlich eine Goldgrube sein.

Berlin neigte und neigt auch immer ein wenig zu Größenwahn – was wurde nicht alles Anfang der 90er vorhergesagt an Entwicklungen? Hochhäuser, eine Skyline wie Manhattan, sieben bis acht Millionen Einwohner im Jahr 2010 etc. etc. Vielleicht ist es ganz gut, dass sich die Stadt auch wieder mit bodenständigen Themen auseinandersetzt.

Denn merke: Wenn Du zu den Sternen willst, vergiss nicht, woher Du kommst. :-)

Thilo Wendland ist in Berlin geboren und seitdem hier ansässig. Er freut sich immer wieder gerne über die schönen, kleinen Geschichten, die Berlin so liebenswert machen.

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