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Berliner Platz (08): Mit dem Auto durch die HauptstadtAls Neuankömmling in Berlin kann man nicht schlecht staunen. Natürlich, da wären die "typischen" Sehenswürdigkeiten: Brandenburger Tor, Reichstag, Potsdamer Platz, Unter den Linden, der Westen, der Osten. Aber das meine ich nicht. Ich hatte ja nun schon einige Male Besuch in Berlin. Und worüber bereits kurz nach der Ankunft im Auto gesprochen wird, das sind meist nicht die Attraktionen selbst, nein, zuerst sind es die Wege zu diesen. Man muss nicht aus einer Kleinstadt kommen, um die Größe und Breite einiger Straßen in Berlin (ein)schätzen zu können.
Da wird gestaunt über die Breite der Bismarckstraße, über die Weite der
Karl-Marx-Allee, über den Durchmesser des Großen Sterns und nicht zuletzt
über – ein Bekannter aus Frankfurt war der festen Überzeugung, das könne
in Deutschland nicht absichtlich vorkommen – die teilweise fehlenden
Fahrbahnmarkierungen auf der Straße des 17. Juni. Berlins Autofahrer genießen
Privilegien, derer sich die meisten gar nicht bewusst sind.
Dass diese Dimensionen den Anforderungen des täglichen Berufsverkehrs nicht immer gewachsen sind, ist eine andere Sache. Ich möchte hier diese fünfmal wöchentlich wiederkehrenden tragischsten zwei Auto-Stunden ausklammern und von Fahrerlebnissen, nicht Steherlebnissen sprechen. Oder vielleicht eher auf ein amüsantes hinweisen. Ob der Berliner Autofahrer an sich gegenüber anderen Deutschen einen anderen Fahrstil pflegt oder nicht, darüber habe ich keine Untersuchungen finden können. Es steht nach meinen täglichen Erfahrungen jedoch fest, dass die Hemmschwelle des Berliners, das Gaspedal in der Stadt selbst noch bei über 60 km/h mehr als nur zu touchieren, größer ist als in vielen anderen Städten. Das mag zum Ziel haben, die nun wirklich nicht kurzen Entfernungen in akzeptabler Zeit zurückzulegen. Unterstützt wird die schnellere Gangart übrigens durch die auf über 60 km/h eingestellten »grünen Wellen«. So kommt jeder Verkehrsteilnehmer in seinen individuellen, gleichmäßigen und vor allem zügigen Verkehrsfluss.
Nun zu meiner Beobachtung: Gerade auf den mehrspurigen Straßen gibt es
regelmäßig die Möglichkeit, nach links abzubiegen. Hat man dies vor, so setzt
man normalerweise rechtzeitig den Blinker, um den Hintermann zu warnen, dass
sein individueller Verkehrsfluss gestört werden könnte und ihm so die
Möglichkeit zu geben, rechtzeitig die Spur zu wechseln. Aber ein Blick in den
Rückspiegel vermochte bei mir schon einige Male ein Schmunzeln hervorzurufen.
Denn oft verpassen gerade diejenigen mein Warnsignal, die es am eiligsten
haben. Regelmäßig lassen sich dann die unterschiedlichsten Schimpfworte von
den Lippen des Hintermanns ablesen. Schläge auf das Lenkrad, Wutfalten auf der
Stirn; der Blick in den Rückspiegel offenbart: Berlins Autofahrer gehören zu
den selbstkritischsten Menschen überhaupt.
Meinen Blinker werde ich weiterhin rechtzeitig setzen. Ebenso automatisch, wie ich dabei in den Rückspiegel schaue. Tobias Händler Der Autor ist in Frankfurt geboren und wohnt seit 2001 in Berlin. |
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