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Berliner Platz (16): Cointreau-Torte in BabylonBerlin ist vielfältig: Neben Deutsch in allen Varianten und Dialekten werden noch Dutzende von Sprachen in dieser Stadt gesprochen, geradezu biblisch-babylonische Ausmaße sind erreicht. Besonders in der Gastronomie schlägt sich das nieder. Manchmal birgt die Vielfalt nämlich auch einige Tücken. So zum Beispiel, wenn man, wie jüngst geschehen, an der Potsdamer Straße bei einem Asia-Imbiss einkehrt und sich, neugierig wie man nun einmal ist, ein "Tsingtao"-Bier bestellt: Ob das Produkt der ehemaligen deutschen Kolonie wohl mit den alkoholischen Erzeugnissen der kurzzeitigen "Schutzmacht" mithalten kann? Mutig bestellt man also, bemüht sich um verständliche Aussprache – und erntet einen fragenden Gesichtsausdruck. Da springt der zweite Mann hinter dem Tresen ein und verklickert seinem Kollegen, was der langnasige Europäer da verlangt hat. Sehr viel anders als wir spricht er aber den Namen des Getränks auch nicht aus... immerhin bekommen wir unser Bier. Unwillkürlich fragt man sich: Was hat er, was ich nicht habe?
Aber das ist noch harmlos. Wenn man sich in fremde Welten
wie einen Asia-Imbiss begibt, muss man mit so etwas rechnen. Wie aber sieht
es nun aus, wenn man ganz ahnungslos in einer Urberliner Bäckerei steht und
mit den Tücken der französischen Sprache konfrontiert wird, die ja seit
seligen Hugenotten- und Besatzungszeiten im 19. Jahrhundert eine ganz
eigentümliche Berliner Form entwickelt hat?
Neulich wollte ich Brötchen kaufen. Artig stellte ich mich beim Bäcker in die Reihe, vor mir eine ältere Dame. Sie kam an die Reihe und bat den bedienenden Bäcker um ein Stück "Kotrang-Torte". "Watt wollnse? Kotrang-Torte? Ham wa nich!" Eifrige Widerrede: Doch, doch, die hätte sie doch erst vorgestern schon einmal gekauft und würde jetzt gern ein weiteres Stück haben. Nachfrage des Ladeninhabers bei seiner Frau: "Du Gabi, ham wa Kotrang-Torte?" Kopfschütteln. Weiteres Insistieren des Mütterchens. Da mischt sich ein weiterer Kunde ein und fragt, ob vielleicht Croissant-Torte gemeint sei. "Krossang-Torte? Nee, sowat ham wa ooch nich!" Rätselraten im Bäckerladen. Unvermutet sorgt ein Vorschlag von Gabi für die Auflösung: "Meinense vielleicht unsre Kongtro-Torte? Die hatten wa diese Woche schon ma." "Jaja, jaja, die meine ich doch, jaja, ihre Kongtro-Torte, die ist wirklich hervorragend!" Das Rätsel ist gelöst, die alte Dame bekommt ihr Stück "Kongtro-Torte" und zieht glücklich von dannen. Meinem Schrippenwunsch wird rasch entsprochen. Auf dem Heimweg fragte ich mich, ob der Cointreau-Torte wohl ein ähnliches Sprach-Schicksal bevorsteht wie dem Muckefuck: Dieser Malzkaffee ist schließlich auch nur eine verballhornte Version des französischen "mocca faux" – was so viel heißt wie "falscher Kaffee". Werden wir in 20 Jahren nur noch Kongotorte zum Muckefuck mampfen? Thilo Wendland Links: |
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