Boat Trip
"Wanderer, kommst Du aus diesem Kino, dann berichte, Du habest uns hier
leiden sehen, wie das Gesetz es befahl." Mit diesem - leicht
abgewandelten - Wortlaut des bei den Thermopylen gefallenen
Spartaner-Königs Leonidas möchte man das Schicksal all jener
Kino-Besucher kommentieren, die in den "Genuss" des Films "Boat Trip" kommen,
um dann - gerichtet an alle jene, die dieses fulminante Ereignis durch Kauf
eines entsprechenden Billets noch vor sich haben - mit Dante Alighieris
göttlicher Komödie fortzufahren: "Ihr, die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung
fahren." Das, was sich in den folgenden 94 Minuten auf der Leinwand
abspielt, kann jedoch kaum als Komödie und schon gar nicht als göttlich
gewertet werden, sondern stellt so ziemlich den überflüssigsten
Wurmfortsatz dar, den eine deutsch-amerikanisch kooperierende
Filmindustrie derzeit erbrechen konnte.
Die, die als erste starten, werden auch als erste gewinnen - schreibt
die Werbung - oder als erste sterben - schreibt Homer. Die Erfolgskurve
von Oscar-Gewinner Cuba Gooding Jr. dürfte eher dem Schicksal des
griechischen Prinzen Protesilaos gleichkommen, der als erster an den
Gestaden von Troja an Land sprang und ebenso als erster Grieche in der
Schlacht fiel: Nach dem frühen Oscargewinn für seine Rolle als Sportler
in "Jerry Maguire" anno 1996 galt der durch "Boyz N the hood" bekannt
gewordene Darsteller als ganz heißer Anwärter auf zukünftigen
Superstarruhm. Aber spätestens seit dem belanglosen 99er Action-Versuch
"Chill Factor" schlug Gooding Jr.s Karriere den direkten Sturzflug ins
Bodenlose ein, und seine letzten Auftritte in den albernen
Klamauk-Vehikeln "Rat Race" und "Snow Dogs" zementierten diesen Absturz
nachhaltig. "Boat Trip" setzt nun endgültig den Sargnagel auf die
Karriere des Darstellers, der zuletzt als Alibi-Schwarzer in "Pearl
Harbor" für Regisseur Michael Bay gerade noch gut genug war, um eine
Flak zu bedienen.
Man muss schon einen deprimierenden Grad an persönlicher Verzweiflung
erreicht haben, um als Oscar-Gewinner freiwillig in einem Machwerk wie
"Boat Trip" mitzuwirken. In Zeiten, in denen das Verhältnis Deutschlands
zu den Vereinigten Staaten auf Grund gewisser geopolitischer
Rahmenbedingungen ohnehin nicht das Allerbeste ist und
deutsch-amerikanische Zusammenarbeit in den meisten Fällen nur noch in
Industriepräsidentensonntagsreden und den Durchhalteparolen einsamer
Bundeskanzler stattfindet, ist diese deutsch-amerikanisch koproduzierte
Schiffskatastrophe immerhin ein Lebenszeichen transatlantischen
Verständnisses: Wenigstens die Idioten beider Länder verstehen sich noch
blendend und sind sogar in der Lage, gemeinsam einen Film zu drehen.
Auch wenn's nur für die einen ein Film ist, für die anderen die quälend
längsten 94 Minuten der Welt.
Dabei ist Oscar-Gewinner Gooding Jr. noch nicht einmal die einzige
traurige Ex-Prominenz, die es in diese auf Zelluloid gebannte
Bankrotterklärung verschlagen hat. Für die nicht erkennbare Regie
zeichnete sich Mort Nathan verantwortlich, der sogar schon einmal in den
Reihen der Golden-Globe-Gewinner zu finden war. Die menschliche
Bockwurst Horatio Sanz fällt nach Auftritten in "Road Trip" und
"Tomcats" im Ganzen nicht weiter auf. Warum sich jedoch ein ehemaliger
James-Bond-Darsteller in einem derartigen Desaster für eine Rolle, die
weit über ein Cameo hinausgeht, prostituiert, bleibt selbst im Fall des
in den vergangenen Jahren bereits in der ein oder anderen
Schrottproduktionen aufgetretenen Roger Moore rätselhaft. Und wenn dann
auch noch Ex-Shaft Richard Roundftree zum Schluss durchs Bild huscht,
setzt dies dem Harakiri der Peinlichkeit ehemaliger Hollywood-Größen die
Krone auf.
Gedreht wurde das Werk in Köln, und wie beim Kölschen Karnevel kommt
sich der Zuschauer von Beginn an vor. Das sich Plot nennende Konglomerat
aus Albernheiten, plattesten Kalauern und überflüssigen Gagversuchen
beginnt mit einem Schwall Erbrochenem, den Pechvogel Jerry (Cuba Gooding Jr.)
seiner Verlobten Felicia (Vivica A. Fox) dekorativ in den Ausschnitt
platziert, als er ihr während einer Ballonfahrt einen Heiratsantrag zu
machen versucht. Auf diesem Niveau robbt sich auch der gesamte Rest des
Films durch den geschredderten Mageninhalt: Jerry und Busenkumpel Nick
(Horatio Sanz), beides Heteros in der Blüte ihrer Manneskraft, getrieben
vom Sturm und Drang der eigenen Hormone, verschlägt der unerledigte
Triebstau auf ein Kreuzfahrtschiff, wo man hofft, den primären
Geschlechtsorganen ausreichend Betätigung verschaffen zu können. Doch
wie es die widrigen Umstände und das Intelligenz negierende Drehbuch von
William Bigelow wollen, treiben sich auf dem Dampfer keinerlei ständige
Paarungswilligkeit im kajalgetönten Blick offerierende
Bikini-Trägerinnen, sondern ausnahmslos lüsterne Kerle in engen Hosen,
Nieten, Lack und Leder herum, die den ganzen Tag "Huch" und "Nanü" sagen
und es vor allem auf die knackigen Allerwertesten der beiden Helden
abgesehen haben. "Oh nein, wir sind auf einer Schwulen-Kreuzfahrt
gelandet!" Ja, so grausam können Schiffsreisen sein. Sie glauben,
"Traumschiff" sei schlimm gewesen? Sie glauben, nach Sascha Hehn gebe es
keine Steigerung der Perversion mehr? Dann haben Sie "Boat Trip" noch
nicht gesehen!
Die finale Humorapokalypse nimmt unaufhaltsam ihren Lauf, als Nick
mittels Signalpistole einen Hubschrauber voller ebenso knapp bekleideter
wie brünstiger Weibsbilder vom Himmel ballert (ab welchem Grad von
Demenz können Drehbuchautoren eigentlich strafrechtlich belangt werden?)
und es sich das Funkenmariechen-Kollektiv in Ermangelung eines
Ersatz-Helikopters auf dem Tunten-Kreuzfahrtschiff gemütlich macht. Na,
super, denkt der gepeinigte Kinobesucher, jetzt sind doch ausreichend
Schnitten respektive Menschen weiblicher Geschlechtspezifikation
vorhanden, Nick und Jerry können endlich den nach Entfaltung dürstenden
Inhalt ihrer Tunica vaginalis anschmeißen, der Film ist vorbei, und der
Horror hat ein Ende. Schön wär's, doch leider steht Jerry überhaupt
nicht der Sinn nach wilder Kopulation mit den Hubschrauber-Amazonen, hat
er doch längst ein Auge nebst getönter Brille in Richtung der auf dem
Schiff malochenden Chef-Animateurin Gabrielle (Roselyn Sanchez)
geworfen, die im Film albernerweise als Schiffs-Choreographin tituliert
wird. Und muss fortan - wieso, wissen wohl nur die Krankenakten der
Psychiatrie, in die Drehbuchautor William Bigelow nach dem Verfassen des
Skripts eingewiesen wurde - so tun, als sei er auch eine Schwuchtel, was
ihm weniger liebevolle Zuwendung der Tanzlehrerin als mehr schmachtendes
Verlangen von Ober-Tunte Lloyd (Roger "Ich mach auch Werbung für
Slip-Einlagen wenn's sein muss" Moore) einträgt. Nicht auszudenken, dass
Verlobte Felicia ausgerechnet in dem Moment auf dem Kahn einschwebt, als
Jerry sich in voller Drag-Queen-Montur daran macht, den Contest für das
peinlichste Outfit nördlich des Äquators zu gewinnen.
Mehr Worte brauchen zur Handlung nicht verloren zu werden, ebenso wenig
über die gänzlich humorfreien Dialoge, die indiskutablen
Darstellerleistungen aller Beteiligten sowie die fadenscheinige und
heuchlerische Moral, mit der das Werk sein künstlerische Desaster ach so
gern bemänteln möchte: "Seht her, Schwule sind auch Menschen, auch wenn
sie sich albern benehmen, affektiert sprechen und am liebsten Musik von
Gloria Gaynor hören." Oh Herr, schmeiss irgendwas vom Himmel. Nein, kein
Hirn! Jegliche so geartete Transplantationsversuche bei den
Verantwortlichen für diesen Film wären vergebliche Liebesmüh. Gib ihnen
lieber ein Kreuzfahrtschiff und schick sie irgendwo hin, wo sie immer im
Kreis fahren und nie wieder an Land gehen können. Nur dann besteht
nämlich definitiv keine Gefahr, dass zu "Boat Trip" eine Fortsetzung
gedreht wird.
Johannes Pietsch
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