Born 2 Die
In "Romeo must die" verwandte anno 2000 der polnisch-stämmige Regisseur
Andrzej Bartkowiak das Shakespeare'sche Motiv von Romeo und Julia zu
einer inhaltlich zwar reichlich dünnen, optisch und stilistisch aber
rasant inszenierten Melange aus Martial-Arts-Kino und schwarzer Rap- und
Hiphop-Kultur. Jet Li übernahm dabei als geflüchteter Sträfling eine
entscheidende Rolle im blutigen Krieg zweier verfeindeter Clans – eines
schwarzen und eines chinesischen – in Oakland, den Part der Prinzessin
der Gegenseite die kurz danach so tragisch ums Leben gekommene
Soulsängerin Aaliyah. Nur geringfügig variierte Bartkowiak diese Idee
der Genre-Durchmischung in seinem nächsten Output "Exit Wounds": An
Stelle des chinesischen Hauptdarstellers Jet Li trat nun mit Steven
Seagal ein reichlich abgehalfterter amerikanischer
Martial-Arts-Darsteller, ansonsten blieben Crew und weite Teile der
Konzeption gleich.
Konnte man 2000 "Romeo must die" noch als Genre-Novum aus chinesischer
Martial-Arts und amerikanischem Hiphop bezeichnen, so muss man
spätestens seit "Exit Wounds" vom typischen Bartkowiak-Stil sprechen.
Dem bleibt der ehemalige Lumet-Kameramann, der nach dem
Kevin-Costner-Vehikel "Thirteen Days" auf den Regiestuhl wechselte, auch
mit seiner dritten Inszenierung treu: "Born 2 Die" wirkt noch stärker
als "Exit Wounds" wie eine originalgetreue Kopie von Bartkowiaks
Regieerstling "Romeo must die": Wieder spielt Jet Li (neben einem
schwarzen Darsteller) die Hauptrolle, wieder ist die Riege der
Nebendarsteller quasi en bloc übernommen, und wieder müssen sich
inhaltlich zwei gegensätzliche Charaktere zusammenraufen, um in der
Auseinandersetzung zweier ethnisch unterschiedlich zusammengesetzter
Gangsterorganisationen zu überleben.
Jet Li braucht sich als taiwanesischer Geheimagent Su Duncan, der in
Amerika den Diebstahl einer Sammlung außerordentlich wertvoller
Edelsteine zu verhindern sucht, mimisch noch weniger ins Zeug zu legen
als noch drei Jahre zuvor als chinesischer Romeo. Beinahe so stoisch und
unrührbar wie der Nullmime Steven Seagal manövriert er rippenbrechend
und handgelenkeauskugelnd durchs martialische Geschehen. Während jedoch
der inzwischen arg beleibte Seagal in "Exit Wounds" die gravitätische
Eleganz einer Waggonladung Bleiplatten ausstrahlte, gleitet Jet Li nach
wie vor nahezu schwerelos pflügen- und harkenderweise durch die
Heerscharen aussichtslos unterlegener Sparringspartner.
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Rapper DMX guckt gerne ganz böse. |
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Visuell verzichtet Andrej Bartkowiak auf überflüssige, verfremdende
Mätzchen wie überzogene Drahtseileffekte oder Röntgenbilder brechender
Wirbelsäulen wie in "Romeo must die" und inszeniert seine dritte
Regiearbeit stattdessen als Nonstop-Action-Parforceritt mit den für das
Genre handelsüblichen Zutaten aus Schießereien, Verfolgungsjagden und
peitschenschnellen Kickboxereien. Dafür geht ihm diesmal leider noch
mehr das erzählerische Geschick ab: Besaß "Romeo must die" zumindestens
noch im Ansatz die düstere Dimension eines shakesspear'schen Dramas vom
Lieben und Sterben im Triadenmilieu und "Exit wounds" den
konventionellen, aber doch soliden Habitus eines Buddy-Movies im Gewand
eines durchschnittlichen Drogen-Thrillers, so bleiben diesmal sämtliche
inhaltlichen Möglichkeiten auf der Strecke. Nicht für einen Cent wird
das Potential des Genre-üblichen Buddy-Motivs durch die Partnerschaft
des taiwanesischen Geheimagenten Su (Jet Li) und des amerikanischen
Gelegenheits-Safeknackers Tony Fait (DMX) ausgespielt. "Wir können uns
helfen", ist Jet Lis monoton vorgetragenes Statement. Gesagt, getan,
Vorschlag angenommen, und fortan wird eben nicht mehr aufeinander
gekloppt, sondern miteinander auf die zahllosen Bösewichter der
Gegenseite. Handlung? Fehlanzeige. Die Jagd nach ein paar sinistren
Edelsteinen, denen urplötzlich geradezu weltbedrohliche Bedeutung
zukommt, und die Suche nach Faits entführter Tochter ist ein so
dürftiges Konstrukt, um daran eine Action-Sequenz nach der anderen
aufzureihen, dass selbst "Exit Wounds" dagegen wie ein literarisches
Schwergewicht wirkt.
Auch darstellerisch bleibt "Born 2 Die" hinter den gesetzten
Erwartungen zurück. Insbesondere von Jet Li, gerade erst in Zhang Yimous
Oscar-gekröntem "Hero" zu sehen, wäre mimisch wesentlich mehr zu
erwarten gewesen, hätte das bindfadendürre Drehbuch ihm dazu die
Gelegenheit gegeben. Der einzige Darsteller, der wenigstens ansatzweise
so etwas wie charismatische Ausstrahlung entwickelt, ist Rapper DMX, der
sich damit endgültig für weitere Leinwandauftritte qualifiziert haben
dürfte. Kelly Hu, die berückende Wahrsagerin aus Chuck Russells
amüsantem "Scorpion King", bleibt als eiskalte Gangsterbraut ebenso
farb- wie eindruckslos wie Gabrielle Union als mütterlich kämpfende
Tigerin der guten Seite. Die größte Enttäuschung bildet jedoch mit
Abstand Marc Dacascos: Der Hawaiische Martial-Arts-Star, einst als
tränenumflorter Yakuza-Killer in Christophe Gans hypnotisch-betörendem
"Crying Freeman" und jüngst als kickboxender Indianer im vom gleichen
Regisseur gedrehten "Pakt der Wölfe" zu sehen, gibt den taiwanesischen
Gangster Ling statt als dämonischen, übermächtigen Gegenspieler als
nervösen, gestylten und ganz und gar nicht bedrohlich wirkenden
Dressman, der der monolithischen Kampfmaschine Jet Li kaum etwas
entgegenzusetzen hat.
Allein die Kämpfe und Stunteinlagen bilden die sehenswerten Anteile in
Andrzej Bartkowiaks Juwelenjagd. Angefangen von einem schnittig
inszenierten Tresorbruch inklusive Tête-a-tête vom Komiknudel Anthony
Anderson mit einem schwulen Wachmann und einer wirklich hübschen
Klettereinlage Jet Lis à im Stil von M:I-2 reiht "Born 2 Die"
Schießerei, Verfolgungsjagd und Kung-Fu-Duelle in atemlosem Staccato
aneinander, was dem mit hämmernden Hiphop- und Metal-Score unterlegten
Film die Wirkung eines durchgestylten Videoclips verleiht.
Während DMX sich bei einer atemberaubenden Verfolgsfahrt über Straßen,
Dächer und durch komplette Gebäude verausgaben darf, finden Jet Lis
elegant fotografierte Kampfsequenzen ihren artistischen Höhepunkt in
einem skurrilen Cage-Fight, mit dem Bartkowiak dem drittklassigen
Martial-Arts-Trash der 80er und frühen 90er die Ehre erweist. Im
flammenden und mit großkalibrigen Projektilen durchsetzten Finale dürfen
dann die beiden Kung-Fu-Giganten Jet Li und Marc Dacascos zum furios
choreographierten Gipfeltreffen des peitschenschnellen Handkantenschlags
gegeneinander antreten. Schade nur, dass sich Andrzej Bartkowiaks
Kreativität auf solche Momente beschränkt.
Johannes Pietsch
Link:
Offizielle Film-Website
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