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Così fan tutte

Die Neuköllner Oper zeigt Così fan tutte in ungewöhnlicher, aber eigentlich sehr naheliegender Aktualisierung. In Robert Lehmeiers Version des schon zu Mozarts Zeiten gelegentlich als frauenfeindlich kritisierten Werkes steht keine einzige Frau auf der Bühne – die Handlung spielt im stillvoll eingerichteten Wohn-Ess-Zimmer einer Schwulen-WG. Gesungen wird auf Deutsch, die Texte sind von Peter Lund neu übersetzt und den Anforderungen der Inszenierung entsprechend – was heißt: mit viel Witz – bearbeitet worden.

Aufregung am Mittagstisch: Mitten in der schönsten Unterhaltung über Fettburner und Kochrezepte behauptet Don Alfonso, alle Männer seien untreu, und bietet Ferrando und Guglielmo, die ihre Partner davon ausgenommen wissen wollen, eine Wette an: Hundert Zechinen auf den Nachweis des Treuebruchs. Eine Einberufung zur Armee wird fingiert, Ferrando und Guglielmo reisen ab, ihre Liebsten Fiordiligi und Dorabella bleiben zurück. Geht es Alfonso um die Wette oder sucht er nur eine Gelegenheit, sich an die verlassenen Geschwister ranzumachen? Und was sagt Despina dazu?

Die Musik, ebenfalls den Voraussetzungen der Neuköllner Oper angepasst (Musikalische Bearbeitung: Winfried Radeke), ertönt aus zwei Flügeln, die neben einem riesigen runden Tisch und großformatigen schwarzweiß Fotos der Protagonisten das Ambiente der Bühnen-Wohnung bestimmen (Bühne: Markus Meyer). Die sparsame Instrumentierung verleiht dem Abend eine ganz eigene kammermusikalische Qualität und garantiert nebenbei eine erfreuliche, opernuntypisch gute Textverständlichkeit. Dietrich Bartsch und Andrew Hannan am 1. Klavier und Ugo D'Orazio und Jens-Karsten Stoll (der gleichzeitig die musikalische Leitung innehat) am 2. Klavier sorgen dafür, dass niemand das Orchester vermisst.

Natürlich hat eine tief greifende Änderung der Personenkonstellation, wie sie die Schwulen-Geschichte darstellt, auch Folgen für die innere Logik der Handlung des schon im Urzustand recht hanebüchenen Opernplots. Doch die entschlossene, humorvolle Umsetzung, die dennoch dankenswerterweise darauf verzichtet, allzu tief in die typisch platten Schwulen-Klischees der Unterhaltungsindustrie zu versinken, lässt Bedenken verstummen; und schließlich steht ohnehin die Musik im Vordergrund.

Die jungen Sänger überzeugen fast durchgängig in technisch gelungenen und stimmlich sehr schönen Momenten, hervorzuheben sind Gero Bublitz (Guglielmo), Assaf Kacholi (Dorabella) und der großartige Christian Senger als freche(r) Despina, bei den Neuköllnern verbandelt mit Don Alfonso. Neben kleinen Schnitzern wie einer etwas verhuschten Beileid-Arie von Don Alfonso (Matthias Ehm) und klitzekleinem Arbeitsbedarf an Ferrandos Höhen (Jan Remmers, der wie Ehm noch studiert), passt einzig Fiordiligi nicht ins ansonsten sehr positive Gesamtbild. Michael Bielefeldts Stimme klingt blechern und flach, harmonisiert nicht mit den vollen Stimmen der anderen und ist oft störend herauszuhören, noch dazu bestehen Mängel bei der Intonation.

Die "Fassung für die Oper Neukölln" bietet gestraffte zweieinhalb Stunden "Così", und damit wenig Langeweile-Gefahr. Robert Lehmeier versucht, die Inszenierung durch viel szenische Aktion in Schwung zu halten, was hier gelingt und schön gespielt wird, dort in unmotiviertem Hin- und Hergehen stecken bleibt. Das Abhängen und Umsortieren der großen schwarzweiß Fotos etwa hätte viel Raum für spielerische Vorgänge gegeben, bleibt hier aber oft ausgedacht und damit schwer verständlich. Alles in allem jedoch ist diese "Così fan tutte" (oder tutti) ein gelungener, erfrischender Versuch, Mozart ohne falsch verstandene Werktreue und übertriebene Ehrfurcht, aber mit viel Spaß auf die Bühne zu bringen.

Nora Mansmann

Link:
Neuköllner Oper Berlin

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