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Elektra

Elektra will nicht verzeihen. Eingesperrt in ihres Vaters Haus, in dem die Mutter Klytaimnestra nun mit Aigisthos lebt, mit dessen Hilfe sie vor zwanzig Jahren ihren Gatten mit dem Beil erschlagen hatte, sinnt Elektra auf Rache.

Auf ihren Bruder wartet sie, auf Orestes, den sie damals selbst vor der Ermordung schützte – er soll zurückkehren und die Tat vollziehen. Als fremde Reisende Orestes' Tod melden, entschließt sich Elektra, selbst zu handeln. Das Berliner Ensemble bringt Hugo von Hofmannsthals "Elektra" in der Regie Leander Haußmanns auf die Bühne. Hofmannsthals Werk lebt von seiner wunderschönen, kraftvollen Sprache. Leander Haußmann hat in seiner Inszenierung einerseits auf die Macht der Worte gesetzt, wenn er die Schauspieler lange Textpassagen sprechen und sie dabei nur sitzen oder langsam umhergehen lässt in dem dunklen, beklemmenden Raum (Bühne: Hamster Damm), in dem sie immer ein bisschen verloren wirken. Und die Sprache, der Text trägt es! Das konzentrierte Sprech-Spiel der Schauspieler mit den sparsamen, aber präzisen Gesten erzeugt eine unglaubliche Spannung und die intensivsten Momente des Abends. Von plattem Deklamationstheater ist die Inszenierung dabei meilenweit entfernt.

Auf seine drei Hauptfiguren, die Mutter Klytaimnestra und ihre Töchter Elektra und Chrysothemis, hat der Regisseur viel Sorgfalt verwendet, und hervorragend besetzt sind sie noch dazu. Silvia Rieger ist eine harte, gefährliche Klytaimnestra, der man doch die Sympathie nicht versagen kann. Steffi Kühnert zeigt eine beängstigend mordlüsterne Elektra, die sich geradezu mit Genugtuung an ihrem Schmerz, dem Hass auf die Mutter und der Verachtung für deren Liebhaber weidet. Annika Kuhl als kleine Schwester Chrysothemis schließlich steht dem Machtkampf der beiden Frauen hilflos gegenüber. Sie will, dass wieder Frieden einkehrt im Haus, sie will ihr Leben leben, frei sein, und sperrt doch gleichzeitig Schmetterlinge, die sich in die Dunkelheit des Hauses verirrt haben, in ein Kästchen, wo sie, nach kurzem Flügelschlagen, ersticken.

Ralf Dittrichs Aigisthos tritt inzwischen als freundlicher Onkel auf, nur in seinem gelegentlich gezeigten, wissend-verschlagenen Lächeln lässt sich die dunkle Vergangenheit erahnen. Der alte, inzwischen zahnlose Löwe ist für die Handlung kaum von Bedeutung, im Zentrum stehen die drei Frauen. Die Inszenierung macht schnell klar, wer im Haus die Hosen anhat, wenn Klytaimnestra die versammelte Hausgemeinschaft vom Essenstisch jagt, um mit Elektra allein zu reden. Den Dialog zwischen Mutter und Tochter untermalt ein eindrucksvolles BiId: Von der Tischplatte der langen Tafel laufen Rinnsale von Blut die weiße Tischdecke hinunter.

Zur unter Klytaimnestras Fuchtel stehenden Hausgemeinschaft gehören auch die Mägde, die von drei gestandenen Kerlen (Roman Kaminski, Axel Wandtke, Uwe Dag Berlin) dargestellt werden. Sie haben hauptsächlich formal-dramaturgische Aufgaben, müssen Kommentare einwerfen und Witzchen machen. Das ist zwar hin und wieder recht erheiternd, etwa wenn Axel Wandtke zum ersten Mal mit seiner Helium-Stimme aufwartet, nutzt sich aber – zumal oft sehr vorhersehbar – schnell ab und wird schließlich ziemlich nervig. Eine Brechung der Illusion, der ernsten Thematik und des Hofmannsthal'schen Pathos ist legitim und wichtig, kommt hier jedoch zu oft, zu wenig inhaltlich (oder wenigstens lustig) und vor allem zu bemüht.

Elektra ist zur Tat entschlossen, das alte Beil, das ihren Vater tötete, hat sie aufbewahrt. Doch der Bruder lebt und ist zurückgekehrt, als fremder Reisender verkleidet, als sein eigener Todesbote. Bei Haußmann entsteigt er gleich dreifach den Kleidern der Mägde. Der erwachsene Orest scheint Zweifel zu haben, keinem der drei Männer gelingt es, das Beil auch nur zu heben. Erst ein vierter, ein junger Orest, Bild der Erinnerung seiner Schwestern, nimmt mit Leichtigkeit die Waffe und schlägt sie in den Bühnenboden. Klytaimnestra kippt zur Seite. Die Rache ist vollendet.

Nora Mansmann

Link:
Berliner Ensemble

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