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Vilhelm Hammershoi - Die Melancholie selbst

Bis zum 29. Juni zeigt die Hamburger Kunsthalle die erste Werkschau Deutschlands des dänischen Malers Vilhelm Hammershoi (1864-1916).

Rilke schrieb 1905 über den Maler: "Hammershoj ist nicht von denen, über die man rasch spricht. Sein Werk ist lang und langsam (...)." Tatsächlich ist es schwer, Konkretes über Hammershoi zu sagen.

Ein Mädchen steht vor einer blau-grauen Wand, einen Teller in der Hand. Sie wendet dem Betrachter ihren zierlichen, geschmeidigen Rücken zu, während sie, wie man glauben möchte, zu Boden blickt. Wer ist sie, und was tut sie? Weshalb steht sie so traumverloren in einer schweigenden Welt? Und wovon mag sie wohl träumen?

Weiße Türen
Foto: Hamburger Kunsthalle
Hammershois Werk verwirrt. Eine seltsame, ein wenig traurige Stille geht von seinen Bildern aus. Es sind Bilder eines Seelenzustandes, atmosphärische Bilder. Im Gegensatz zu seinen symbolisitschen Zeitgenossen sucht der Betrachter in den Bildern des dänischen Malers vergebens nach einer Geschichte, nach einer Situation.

Hammershoi zeigt klassizistisch anmutende, grautönige Interieurs, Porträts von Frauen, die leicht entrückt und melancholisch in die harmonischen Farben eines Herbsttages hinausschauen, als blickten sie in sich.

Offene, weiße Türen lassen andere, noch stillere Räume ahnen, und die Welt jenseits des Fensters ist höchstens angedeutet: zurückhaltend schimmert sie durch die großen Fensterscheiben. Seine Landschaftsbilder erscheinen immer in großer Ferne, als gehöre der Betrachter nicht eigentlich in diese Welt. Der Mensch ist Außenseiter in seinem Umfeld: Natürlich handelt es sich um ein großes Thema der modernen Kunst. Aber was Hammershoi bemerkenswert macht: Er klagt nicht, er ist nicht wütend, verzweifelt, sondern höchstens ein bisschen traurig. Er sucht keinen universellen Zusammenhang, er beschreibt nicht die symbolistische Auffassung der conditio humana, sondern ganz eigene, seltsam leere Momente.

Hammershoi war beinahe vergessen: Erst kürzlich wurde ein breiteres Kunstpublikum auf ihn aufmerksam, als das Musée d'Orsay (Paris) und das Guggenheim Museum (New York) ihn mit einer großen Retrospektive adelten. Dabei war Hammershoi zu Lebzeiten einer der popuärsten Maler: Rilke bewunderte ihn, Nolde besuchte ihn während seines Aufenthaltes in Kopenhagen, in der damaligen dänischen Kunstszene löste sein Werk bedeutende Differenzen aus. Die Symbolisten nahmen sein Werk in Anspruch, weil die herrschende Kunstelite seine Werke als Provokation empfand.

Interieur
Foto: Hamburger Kunsthalle
Um Hamershoi als Provokation zu empfinden, bedarf es einer sehr sturen, sehr engen Kunstauffassung. Es war sicherlich nicht die Absicht des Künstlers, aufzuwühlen oder die herrschenden Auffassungen der Kunstwelt umzustürzen. Viele Zeitgenossen glaubten bei Hammerhoi Neurasthänie zu diagnostizieren, die Modekrankheit des fin du siècle, mit den üblichen Symptomen: Weltabgewandtheit, Überempfindlichkeit und Menschenscheu. Er mied öffentliche Auftritte und schwieg beharrlich in Gesellschaft. Das sind keine Charakterzüge eines Revolutionärs.

Auch seine Kunst ist wenig aufrührerisch. Bramsen, sein Freund und Mäzen, bemerkte zum geeigneten Umfeld dieser Bilder: "Seine aristrokratische Kunst verlangt einen ruhigen harmonischen Hintergrund, und die Gesellschaft stellt sich am besten im stilvollen und festlichen Gewande ein: schwarzer Frack und weiße Krawatte."

Euphorische Spekulationen über die Aktualität dieser Bilder, über ihre Modernität, sind übertrieben: Hammershoi ist nicht modern. Sie sind in ihrer Stille höchstens zeitlos, wie es weltabgewandte Kunstwerke sein können. Aber über unsere Zeit schweigen sie, wenn auch lang und langsam.

Zur Azustellung ist ein Katalog erschienen: "Vilhelm Hammerhoi", € 23.

Frédéric Valin

Link:
Die Hamburger Kunsthalle online

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