Das Plakatwerk Harings in Hamburg
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt bis zum 04. Mai unter dem Titel
"short messages" eine Ausstellung über das Plakatwerk Harings.
short messages – ein Austellungstitel, der das Ziel von Harings Kunst hinreichend
charakterisiert. In der Subway von NY zeichnete er (ganz in der Tradition der
Graffiti-Szene) auf überklebten Plakaten einprägsame Figuren. Tänzer, das Baby,
der Haushund, Pyramiden und Ufos – dieses Repertoire gab er bis zu seinem Lebensende
nicht mehr auf, auch wenn er es beständig erweiterte. Mit diesen Figuren vermittelte
er einfache Botschaften: sie waren für die vorbeihastenden Pendler gedacht, und
ihr thematisches Vokabular war ein universelles: Tod, Geburt, Liebe, atomare
Bedrohung, Sexualität, also Dinge, die jedermann lebt und erlebt. Das war 1980:
Haring lebte seit zwei Jahren in New York und hatte in dieser Zeit die damals
blühende Kunst-Underground-Szene kennengelernt. Da die Galerien (noch) nicht bereit
waren, die aus ganz Amerika nach NY strömenden Künstler zu akzeptieren, verwirklichten
sie ihre Ideen auf der Straße, in der U-Bahn, an allen öffentlichen Plätzen. Sie
organisierten Ausstellungen in kleinen Clubs und trafen sich abends im Paradise
Garden, sie hießen Madonna, John Sex und – Keith Haring. Es muss eine wilde Zeit
gewesen sein, ganz im Vorbild der Warhol-Partys, mit vielen Drogen, viel Alkohol,
viel Sex. Haring lief tagelang mit einer Plastikgans auf dem Arm herum, die er
"zentrales geheiligtes Objekt der Anbetung" nannte, und klebte aus der New York Post
zusammengeschnipselte Collagen à la HEROISCHER COP ERSCHLÄGT REAGAN an Häuserwände.
"Die besten Jahre unseres Lebens" betitelte Ann Magnuson einen Essay über diese Zeit.
Und Haring lebte sie aus, seine Homosexualität, seine Kreativität, seine sexuelle
Energie. "Diese Energie, sexuelle Energie, ist vielleicht der stärkste besondere
Antrieb, den ich spüre – stärker als der zur Kunst?(!)" Diese – ohne Frage sehr
spannenden – Seiten Harings ahnt man ein wenig im MKG. Aber die Ausstellung
fokussiert sein Plakatwerk: Das gesellschaftliche Engagement, die Anti-Aids-Kampagnen
beispielsweise, Ankündigungen zu Theaterstücken. Zu dieser Zeit war Haring bereits
bekannt, wenn auch nicht voll anerkannt. Die Kunstwelt wehrte sich gegen Haring,
der neben Warhol Walt Disney als Vorbild nannte. Auch er wollte eine Bildsprache
entwerfen, eine Sprache, die jedem verständlich ist. Auch und vor allem den Kindern.
Die Kleinen waren sensibel für die klare Linienführung, die Eindeutigkeit der
Bildstruktur und die Fröhlichkeit seiner Figuren. Und Haring hat, vor allem auf
dem Zenit seiner Bekanntheit, viele Workshops rund um die Welt mit Kindern gemacht.
Der Kommerz spielte eine große Rolle für Haring: er eröffnete Popshops in New York
und Tokio, in denen er T-Shirts mit seinen Motiven verkaufte, auch Alltagsgegenstände,
Plastiktüten, Kaffeetassen, Spielzeug. Außerdem entwarf er Werbung für einige
Konzerne: Absolut Vodka, Lucky Strike und Uhren für Swatch. Dafür hat er viel
Kritik einstecken müssen. Er meinte, sein Engagement sei missverstanden worden:
Es ging darum, auf einer anderen Ebene mit dem Publikum zu kommunizieren.
1987 wurde bei Haring Aids diagnostiziert. Er hatte schon einige seiner besten
Freunde durch den Virus verloren. Es war ein Schock für ihn, aber er arbeitete
weiter. Von dem Gedanken getragen, dass sein Werk das Wichtigste in seinem Leben
sei, schuf er, so viel er irgend konnte. Im Februar 1990 verstarb er.
Die Plakate zeigen einen entschärften Haring, mit seinen gefälligen Seiten, nett
anzusehenden Drucken, kinder- und vermarktungsfreundlich. Nur bei genauem Hinsehen
mag manch ein Besucherdie Provokation in Harings Werk entdecken: Über einem
Begleittext ist ein kleines Bild angebracht, eine Mickey Maus, die ihren strahlenden
Penis hält: "Meine Zeichnungen wollen eine Oberfläche aktivieren und Energie ausstrahlen."
Frédéric Valin
Link:
Website über Keith Harings Werk
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