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Der tiefe Fall von Hertha BSC: Warum es so kommen musste

Es sieht ganz böse aus für Hertha BSC: Das Team ist nach der Bundesliga-Hinrunde Tabellenvorletzter, momentan versucht sich der bereits dritte Trainer im Saisonverlauf, die Spieler sind verunsichert. Wie konnte es soweit kommen? Hier der Versuch einer Erklärung des tiefen Absturzes eines ambitionierten Vereins.

Zahlen lügen nicht: Mit kümmerlichen 13 Punkten aus 17 Spielen stehen die Kicker des Hauptstadtklubs auf dem 17.Tabellenplatz und damit auf einem Abstiegsrang. Schlechter als für die Berliner sieht es nur noch für den Letzten, die Eintracht aus Frankfurt, aus. Das Team vom Main ist aber immerhin ein Aufsteiger und wurde schon vor Saisonbeginn von den Fußballexperten ohnehin als größter Wackelkandidat in Sachen Klassenerhalt gehandelt.

Hertha BSC wollte dagegen laut einem einstimmigen Spielervotum nicht in die zweite Liga, sondern - ganz im Gegenteil - in die europäische Königsklasse. Ja, in der Champions League wollten sich Kiraly und Co. mit Real Madrid, Juventus Turin oder wenigstens Rosenborg Trondheim messen. Daraus wird wohl so schnell nichts, obwohl Herthas Führungscrew um Manager Dieter Hoeneß und - dem mittlerweile entlassenen - "Star-Trainer" Huub Stevens zum Saisonauftakt gleich 3 neuverpflichtete Spieler präsentieren konnte, mit denen die ohnehin schon "sensationell besetzte Mannschaft" weiter verstärkt werden sollte.

Leider entsprachen die Herren Bobic, Kovac und Wichniarek nicht den Erwartungen. Jedenfalls bislang, doch übermäßig viel Zeit dazu bleibt auch nicht mehr. Bis zum Saisonfinale sind es gerade noch 17 Spiele. Und um das internationale Geschäft geht es ohnehin schon längst nicht mehr. Vielmehr muss Hertha aus besagten Partien in der Rückrunde mindestens noch 27 Punkte holen, um überhaupt den Klassenerhalt zu sichern. Was nach den bisherigen Leistungen schwer genug wird.

Doch worin liegen die Ursachen dieser katastrophalen Entwicklung? Abgesehen von Pech, Verletzungssorgen, missratenen Spielereinkäufen (Alves!) und akuter Formschwäche einiger Leistungsträger?

Der wesentliche Grund scheint die Selbstüberschätzung der Herthaner zu sein: Schon in den 60er und 70er Jahren nach diversen Skandalen und größten Finanznöten kam der Verein durch die großzügige Unterstützung der Berliner Politik wieder auf die Beine. Denn der Senat kaufte Ende der 70er Jahre einfach für viele Millionen Mark zu einem völlig überzogenen Preis Herthas Vereinsgelände in Wedding. Vorgeblich weil der Baugrund dringend benötigt wurde, um dort dann Sozialwohnungen zu errichten. Schon damals wäre der Klub also ohne diese Hilfe von außen am Ende gewesen.

Als Hertha BSC dann Mitte der 90er Jahre nach langer Abstinenz wieder das Fußballoberhaus erreicht hatte, half wiederum die Berliner Politik. Diesmal überließ der Senat dem Verein zum Nulltarif ein riesiges Stück des Olympiageländes, worauf dann das "Home of Hertha" entstand, das neue Trainingsgelände. Ganz offenbar führten jedoch diese hilfreichen Umstände dazu, das eigene Leistungsvermögen falsch einzuordnen, es nämlich zu überschätzen. Das typisch Berliner Gefühl des "Uns kann keiner" machte sich breit.

Dass bis zur Fußball-WM 2006 das Olympiastadion zu einem der modernsten Sportstätten umgebaut wird, ist ein weiterer Glücksfall für Hertha. Der Verein hat in den letzten Jahren zweifellos in ungeheurem Maße von Geschenken profitiert. Natürlich ist es bewundernswert, was insbesondere Manager Hoeneß seit fast einem Jahrzehnt für den Verein geleistet hat. Dennoch: Viele andere Klubs in der Bundesliga wie Rostock, Stuttgart oder gar Dortmund hatten diese städtisch-staatliche Unterstützung nicht, sondern mussten bei ungleich schlechteren Rahmenbedingungen ihre Probleme allein bewältigen.

Trotz aller Hilfe von außen: Hertha hat heute immer noch horrende Schulden von fast 17 Millionen Euro. Die Kräfte des Hauptstadtvereins reichen nicht, um solide und seriös über Jahre hinweg zu wirtschaften. Statt also ein stabiles Fundament zu schaffen, sich in der Liga zu etablieren und nach einigen Spielzeiten den UEFA-Pokalplatz anzustreben, wollte Hertha gleich hoch hinaus und mehrere Entwicklungsschritte einfach zu überspringen.

Immerhin überraschend schnell durfte man nach einem 3. Platz in der Bundesliga vor ein paar Jahren schon einmal Champions-League-Luft schnuppern. Das machte offenbar süchtig - denn obwohl das Team für solche Aufgaben im Grunde noch gar nicht bereit war, spukte in den Köpfen der Macher der Gedanke, die Deutsche Meisterschaft und die eben die Champions League müssten die künftigen Standardziele des Klubs sein. Totale Selbstüberschätzung eben. Was allerdings neben der fußballerischen Qualität im Verein fehlt, sind Kontinuität, Realitätssinn und Geduld. Mit reinen Wunschträumen kommt man zumeist im Leben nicht weit.

Vielleicht besinnen sich jetzt - im Angesicht der Krise und des drohenden Absturzes in die Zweitklassigkeit - alle Hertha-Verantwortlichen darauf. Wenn es nicht schon zu spät ist. Momentan heißt die Realität harter Abstiegskampf.

Stefan Ewert

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