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Hulk

Comics stehen im Amerika der Bush-Ära so hoch im Kurs wie schon lange nicht mehr, was sich nicht nur in den Umsätzen der gezeichneten Werke selbst niederschlägt, sondern auch in der Ausrichtung Hollywoods auf immer mehr Comicstoffe. Nun folgt, nur ein Jahr nach "Spider-Man" und wenige Monate nach "Daredevil" und "X-Men 2", die nächste Big-Budget-Produktion: Hulk.

Die Welle der Comic-Verfilmungen

Eric Bana spielt den Wissenschaftler Bruce Banner, der zum Hulk wird.
Alle Fotos: UIP
Zur Zeit rollt die dritte große Welle von Comic-Verfilmungen der jüngeren Kinogeschichte über die Leinwände. Und die wird eindeutig beherrscht von den Helden aus der Comicschmiede Marvel und aus der Ideenwerkstatt von Stan Lee, dem kultisch verehrten, inzwischen über 80jährigen Comic-Altmeister, der das Genre in den 60er Jahren mit Figuren wie den Fantastic Four, Spiderman, Dr. Strange, Captain America, Hulk, Silver-Surfer und – natürlich – den X-Men revolutionierte.

Im neuen Jahrtausend gehört die Leinwand Marvel: 2000 und 2003 waren es die X-Men unter der Regie von Bryan Singer, die als Helden einer ambitionierten Realverfilmung ihrem Schöpfer Stan Lee, dem Ralph Siegel der Comicbranche, die Ehre erwiesen. Sam Raimis "Spider-Man" stellte 2002 sicherlich einen, wenn nicht gar den Höhepunkt schlechthin der Comicadaptionen dar, während allerdings der kurz darauf gestartete "Daredevil" weit hinter den Erwartungen zurück blieb. Nun folgt, nur ein Jahr nach "Spider-Man" und wenige Monate nach "Daredevil" und "X-Men 2" die nächste Big-Budget-Produktion, die einen Marvel-Helden auf der Leinwand zum Leben erweckt. Das ehrgeizige Projekt "Hulk" geriet, vor allem durch die Arbeit von Regisseur Ang Lee, ebenso wie die beiden "X-Men"-Adaptionen zu einer sehr aufrichtigen, leidenschaftlichen, stellenweise geradezu mit dem Hauch einer griechischen Tragödie umflorten Comic-Adaption, der es allerdings nicht konsequent genug gelingt, die erzählerische Tiefe der Handlung mit dem Special-Effects-Aufwand der spektakulär inszenierten Action-Sequenzen und der komplett CGI-animierten Hauptigur in Einklang zu bringen.

Der Regisseur

Regisseur Ang Lee bei der Arbeit.
Die Wahl von Ang Lee als Regisseur für "Hulk" stellte für die produzierende Universal fraglos eine ungewöhnlich innovative Entscheidung dar. Der Taiwaner bewies sich bislang in einer Vielzahl von Genres als wegweisender Filmemacher, sei es in der Jane-Austen-Verfilmung "Sense And Sensibility", dem Familien-Drama "The Ice Storm" oder dem kompromisslos depressiven Sezessionskriegs-Western "Ride With The Devil". Seinen künstlerisch größten Erfolg errang er zweifellos mit dem Oscar-prämierten Meisterwerk "Wo hu cang long" ("Crouching Tiger Hidden Dragon"), mit dem er sich 2001 den Schwertkämpfer-Mythen seiner chinesischen Heimat zuwandte.

Mit "Hulk" beweist Ang Lee erneut sein Talent, sich mit einem Thema künstlerisch intensiv auseinandersetzen und mit originellen Ideen zu filmischem Leben erwecken zu können, ohne dabei auf abgenutzte visuelle und erzählerische Versatzstücke vorangegangener Werke zurückgreifen zu müssen. Sein großes Faible für die chinesische Filmkunst ist dem Taiwaner diesmal kaum anzumerken, vielmehr hofiert Ang Lee mit "Hulk" neben der gezeichneten Vorlage aus dem Hause Marvel vor allem das klassische amerikanische Monsterkino.

Die Story

Neben ihrer Profession, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, ist den Comicfiguren Stan Lees vor allem eines gemein: das mysteriöse Zusammenspiel seltsamer bis tragischer Zufälle, aus dem – quasi als Nebenprodukt – eine übernatürliche Befähigung entsteht. Lees Charaktere lassen sich durch ihre innere Zerrissenheit, gepaart mit dem Drang, Gutes zu tun, wunderbar für konfliktreiche Geschichten einspannen. Im Falle von "Spider-Man" war das dank des Darstellers Tobey Maguire und eines nuancierten Drehbuches nahezu perfekt gelungen.

Das Militär mit General Ross (Sam Elliott, stehend) jagt den Hulk unerbittlich.
Und auch Ang Lee und sein Drehbuchautor James Schamus gestalteten die Geschichte um die Herkunft des Hulk erzählerisch komplex, psychologisch tiefgründig und außerdem dramaturgisch vielschichtiger als die gezeichnete Vorlage: Traf den Wissenschaftler Bruce Banner im Comic des Jahres 1962 nur eine Überdosis Gamma-Strahlen, die ihn anschließend zum heldenhaften, grünen Berserker mutieren ließen, so ist dem Helden bei Ang Lee die Metamorphose zum Hulk in die Wiege gelegt: Sein Vater David Banner nahm in den 60er Jahren genetische Experimente an sich selbst vor, deren Auswirkungen er – ohne es zu wollen – auf seinen Sohn Bruce übertrug. Als das Militär seine nicht genehmigten Versuche entdeckte, kam es zur ökologischen wie familiären Katastrophe: Nach einer furchtbaren Explosion blieb Bruce als traumatisiertes Waisenkind zurück – mit dem genetischen Code eines grünen Monsters in seinen Zellen.

Rund 30 Jahre später führt Bruce Banner ein zurückgezogenes Leben als brillanter, aber charakterlich schwieriger, emotional gehemmter und introvertierter Wissenschaftler, der sich ganz seinen Forschungen verschrieben hat. Dass diese sich um die gleiche Thematik drehen wie die seines Vaters, ist nur einer von vielen parallelen Handlungssträngen, mit denen Ang Lee in seiner Geschichte immer wieder die Vergangenheit mit der Gegenwart verschränkt. Auch Bruce Banners ehemalige Lebensgefährtin Betty Ross, Tochter eines hochdekorierten Armeegenerals, der zufälligerweise dreißig Jahre zuvor David Banners Chef war, leidet schwer an einer Traumatisierung, die sie im Kindesalter erlitt. Ein klein wenig zu plakativ und pathetisch trägt Ang Lee hier seinen Siegmund Freud und seinen C. G. Jung zu Markte, wenn der Zuschauer erfährt, dass beide auf Grund ein und desselben Ereignisses mit einem schweren Vaterkomplex beladen durchs Leben ziehen.

Die Tochter des Generals, Betty Ross (Jennifer Connelly), versucht sich dem verschlossenen Wissenschaftler zu nähern.
Nach einem schweren Strahlenunfall in seinem Laboratorium regt sich das genetische Erbe in Bruce Banner, und er mutiert zum grünen Titanen, der in Windeseile das Labor sowie zahlreiche angrenzende Gebäude, Fahrzeuge und Straßenzüge zerlegt und sich einen erbitterten Kampf mit der herbeigeeilten Militärstreitmacht von General Ross liefert. Ab hier lässt Ang Lee zeitweilig die Tiefenpsychologie ruhen und konzentriert sich ganz auf die Inszenierung seines grünen Ungetüms, mit der er in zahlreichen Reminiszenzen dem klassischen amerikanischen Monster-Movie huldigt. Die anrührende Szene, in der der Hulk vorsichtig, beinahe schüchtern zwischen einigen Bäumen hervortritt, sich Betty nähert und sie behutsam mit den Händen aufhebt, zitiert Schoedsacks "King Kong" in Reinstform.

Den emotionalen Höhepunkt findet Ang Lees "Hulk" in der finalen Konfrontation zwischen Bruce und seinem totgeglaubten Vater, in einer kargen, minimalistisch ausgeleuchteten Umgebung, die wie eine Bühne wirkt und dem Geschehen umso stärker den Charakter eines Shakespeareschen Königsdramas verleiht. Das für eine Comicadaption untypische, surreal geratene Finale unterstreicht ebenso Ang Lees künstlerisches Autarkiestreben, auch wenn es – wie kaum anders zu erwarten – mit der Schlusssequenz genügend Spielraum für eine Fortsetzung eröffnet.

Die Schauspieler

Vater und Sohn: David Banner (Nick Nolte) und Bruce Banner (Eric Bana).
Darstellerisch stellt der junge, unverbrauchte Eric Bana für die nicht einfache Antihelden-Figur des Bruce Banner geradezu Idealbesetzung dar. Auch die übrigen Darsteller absolvieren gute bis großartiges Leistungen: Die wie immer bezaubernde Jennifer Connelly braucht nur unwesentlich ihren "The beauty and the biest"-Part aus "A beautiful mind", für den sie zu Recht mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, zu variieren, so ähnlich sind die Rollen der Betty Ross und der Ehefrau des Mathematik-Genies John Forbes Nash angelegt. Altstar Nick Nolte als Banners derangierter Vater David und diametral dazu Hollywood-Schlachtross Sam Elliott als Bettys Vater General Ross liefern sich ein hochkarätiges Darstellerduell zweier versierter Charakterdarsteller. Auffällig ist, dass Ang Lee mit Ausnahme des intriganten Jungwissenschaftlers Talbot (Josh Lucas, der Sympathie-Träger aus "Sweet Home Alabama", komplett gegen den Strich besetzt!) keine der handelnden Figuren als wirkliche Schurkenrollen, sondern ausnahmslos als große, tragische, vom Zwang der Umstände in ihr Handeln gezwungene Personen charakterisiert, noch viel stärker, als dies Sam Raimi mit Willem Dafoe als Green Goblin in "Spider-Man" gelang.

Fazit

Allerdings hat Ang Lees "Hulk" eine markante Schwachstelle, durch welche dem Film letztendlich die Höchstnote verwehrt bleiben muss, und das ist der Hulk selbst. Zugegeben, die Tricktechniker von ILM haben bei der Kreation des grünen Giganten Höchstleistungen vollbracht, und seine kilometerweiten Sprünge über Wüsten, Gebirge und die Golden Gate Bridge sowie seine Kämpfe mit Panzern, Hubschraubern und Kampfjets sind fast schwereloses, anmutiges Action-Ballett. Doch der Hulk bleibt visuell, bei aller effekttechnischen Brillianz, vor dem Hintergrund einer Realverfilmung ein Fremdkörper, der sich – ganz anders als Peter Jacksons grandioser Gollum – weder in seiner Optik und vor allem nicht in seinen Bewegungsabläufen in die Umgebung integrieren lassen will. Vor allem der springende und rennende Hulk lässt fast zwangsläufig Assoziationen zu Jeffrey Katzenbergs "Shrek" aufkommen – und die wollen nun einmal gar nicht zu dem so ernsthaften, getragenen Grundcharakter von Ang Lees Film passen!

Johannes Pietsch

Link:
Offizielle Film-Website

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