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Kampf des Negers und der Hunde

Vorn an der Rampe stehen drei Mikrofone. Aus dem Schnürboden rieseln Papierschnipsel herab und bilden einen stetig wachsenden bunten Haufen auf der leeren Bühne. Wir sind in der Berliner Volksbühne, und wir sind in Afrika, "irgendwo zwischen Senegal und Nigeria". Der bulgarische Regisseur Dimiter Gotscheff, in den 70er Jahren Assistent am Haus, kehrt zurück und inszeniert Bernard-Marie Koltès' Afrika-Drama "Kampf des Negers und der Hunde" um den Schwarzen Alboury, der den Körper seines auf der Baustelle getöteten Bruders beansprucht und damit den Baustellenleiter Horn in Bedrängnis bringt.

Aus dem nicht mehr ganz aktuellen, zwanzig Jahre alten Stück hat Gotscheff eine Art Nummern-Revue gemacht. Der Text wurde zerstückelt, längere Fremdtexte und Elemente aus den Skizzen Koltès' wurden eingefügt. Die Moral von der Geschicht' (Ingenieur Cal, der Albourys Bruder auf dem Gewissen hat, wird von Schwarzen erschossen) hat Gotscheff gestrichen. Herausgekommen ist ein bunter Abend zu Rassenfrage, Postkolonialismuskapitalismus und Globalisierung.

Lustig lustig geht es los mit Samuel Finzi, der ganz privat auf die Bühne kommt, ins Publikum grinst wie ein Comedian und, folgerichtig, Albourys metaphorische Erzählung über seinen Bruder als Nigger-Parodie spielt ("Yo, Mann!"). Nach dieser Vorgabe geht der Abend weiter. Gotscheff breitet in verschiedensten Ecken zusammengesuchte Klischees von Schwarzen aus. Vielleicht will er damit zeigen, wie Alboury, wie die Schwarzen insgesamt für Weiße zur Projektionsfläche ihrer Wunsch- oder Hass-Vorstellungen von Afrika und dessen Einwohnern werden. Ob Baustellenchef Horn, der den edlen Wilden vor sich sieht oder Cal, der vom "Babou" spricht - beide haben nichts verstanden.

Viel kommt davon nicht an, denn leider gelingt es Gotscheff mit seiner Ansammlung von genüsslich ausgespielten und überspielten Klischees in erster Linie, die Figur Alboury und deren Darsteller lächerlich zu machen, sodass es schwerfällt, beide weiterhin ernst zu nehmen. Finzi muss unbeholfen herumtanzen, klatschen und dazu jaulende Gesänge ausstoßen, er muss sich das Gesicht schwarz schminken und eine Fusselperücke aufsetzen. Sogar in ein Affenkostüm wird er gesteckt, und beim Whiskeytrinken mit Horn in afrikanischer Tracht gießt er die Flasche über seinen Füßen aus. Die drei anderen Darsteller haben einen leichteren Stand in dieser Inszenierung, die mit der leeren Bühne ("die Weite Afrikas"?) und den wenigen Requisiten vor allem Erzähl- und Schauspielertheater ist.

Da gelingen viele schöne, sogar anrührende Szenen und einfache, aber geistreich-lustige Improvisationen. Milan Peschels Cal schreit und wütet mit bekannter Intensität, während Almut Zilcher die junge Lèone als still-neurotisches Sensibelchen zeigt. In einer wunderbaren Szene versucht der Ingenieur höflich smalltalkend eine Annährung, indem er von seinen Reisen berichtet - und dabei nahezu alle Länder der Erde aufzählt - bis die Situation aus fröhlicher Impro-Alberei in schockierender Plötzlichkeit in eine Beinahe-Vergewaltigung umschlägt.

Wolfram Koch spielt den Baustellenleiter sehr klar und überzeugend. Dieser Horn begegnet dem "Neger" mit naiver Begeisterung, und geht sogar so weit, selbst ein Baströckchen anzulegen, zur besseren Verständigung. Auch zwischen Koch und Zilcher gibt es wunderbare Momente des Zusammenspiels, wenn Horn immer wieder mit sympathischer Hilflosigkeit versucht, Lèone für sich einzunehmen. Sie jedoch hat sich in Alboury verguckt; das ist natürlich ebenfalls, da sie ihn nicht kennt, eine Projektion, und man versteht sofort, aus Zilchers konzentrierter Darstellung heraus, warum Lèone sich in diesen Wunschtraum flüchtet, und dass sie aber dabei genau so egoistisch und ich-zentriert vorgeht wie die Männer, denn auch sie hat Afrika nicht verstanden.

Am Ende geht alles sehr schnell, ein bisschen zu schnell. "Was wollen die denn hier?" fragt Milan Peschel, als plötzlich einige Jugendliche auf die Bühne kommen. Ein zwanzigköpfgiger Chor nimmt Aufstellung, und schleudert Samuel Finzi ein kaugummikauendes "Hau ab!" entgegen. Der beteuert, nur verkleidet zu sein, nimmt die Perücke ab und erzählt noch einen Witz.

Nora Mansmann

Link:
Berliner Volksbühne

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