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Mondscheintarif

Mädchen liebt Junge, Junge liebt Mädchen, dann denkt Mädchen, Junge liebt sie nicht und umgekehrt... Eigentlich baut jede Liebesgeschichte und jede Romantikkomödie in irgendeiner Variation auf diesem Grundkonzept auf. Es gehört schon eine Portion Dreistigkeit dazu, dieses Grundmotiv der sich anbahnenden Zweisamkeit und aller einhergehenden Turbulenzen darum herum derart naiv und vorhersehbar umzusetzen wie Ralf Huettner mit "Mondscheintarif". Allein, einen allzu großen Vorwurf für die Plotkonstellation kann man ihm nicht machen: Das Drehbuch hält sich eng an Ildikó von Kürthys gleichnamige Romanvorlage.

Sollte sie schon am Ziel ihrer Träume sein?
Eine typische Singlegeschichte, eine Frauengeschichte, eine Großstadtgeschichte – "Mondscheintarif" ist von allem etwas. Fotografin Cora Hübsch, Anfang dreißig und nach allerlei gescheiterten Beziehungen stets auf der Suche nach ihrem Traummann, trifft selbigen ausgerechnet in Gestalt des Arztes, den sie wegen einer Blasenerkältung aufsucht. Flugs wird aus der Blasenerkältung eine attraktive Schulterverspannung, und frau setzt sich beim Gesundheitscheck lasziv in Szene, um dem Mannsbild ihrer schlaflosen Nächte möglichst effizient in Erinnerung zu bleiben. Nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht sitzt Cora zu Hause und wartet auf den entscheidenden Anruf. Und wird immer nervöser, schließlich weiß sie von ihrer besten Freundin: Ruft er nach drei Tagen nicht an, wird er nie mehr anrufen...

Gruschenka Stevens, Ralf Huettners Hauptdarstellerin aus dem düsteren Telefonsex-Thriller "Der kalte Finger", ist als Cora Hübsch Idealbesetzung: Ein Weibsbild, eine urbane Alltagstype par excellence, eine typische Motte aus dem prallen Großstadtleben des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Ein bisschen verträumt, ein bisschen manisch, ein bisschen depressiv und stets elliptisch kreisend um die Pole himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, und eben nicht so Clearasil-porentief rein und – dem Namen entsprechend – hübsch wie entsprechend aufgetakelte Hollywood-Beautys. Dem sympathischen, immer ein bisschen verheult dreinschauenden Pausbäckchengesicht nimmt man den Gefühlsstrudel tatsächlich ab, in den die Heldin von Ralf Huettners neuem Film beständig rutscht. Jasmin Tabatabai als verhärmte, prollige Großstadt-Femme-Fatale gibt zu der burschikosen Hauptdarstellerin einen netten, wenn auch sehr klischeehaften Kontrast. Tim Bergmann bleibt dagegen als linkischer, aber gutaussehender Jungarzt mit Märchenprinz-Anspruch so farb- und konturlos wie die übrigen Darsteller.

Am besten lebt sich's halt doch mit der Freundin.
"Mondscheintarif" hat seine witzigen, seine warmherzigen und seine skurrilen Momente. Wenn Gruschenka Stevens im wortwörtlichsten Sinne klaftertief im Boden versinkt, als der angehimmelte Jungarzt sie ausgerechnet auf einem Friedhof beim Pipimachen ertappt, die an Liebeskummer verzweifelnde Cora in ihrer Fantasie einen Konzertflügel auf die vermeintliche weibliche Konkurrenz herabstürzen lässt oder in Zeitraffertempo ihren Nachttisch nach Gebrauchsutensilien scant, dann lacht sogar Ally McBeal zwischen den Zeilen des ansonsten recht drögen und einfältigen Drehbuchs hervor. Ebenfalls hochgradig Ally-McBeal-like, allerdings dann etwa zu dick aufgetragen, wirkt der eingeschobene Videoclip-Auftritt der Erfolgsband Reamonn, die der auf einem Balkon unter Mondschein ausharrenden Cora Hübsch ein Ständchen bringt.

Doch damit hat "Mondscheintarif" sein Pulver auch schon weitestgehend verschossen. Mit ein wenig Slapstick und einigen, wenn auch dürftigen deutschen Screwball-Einfällen versucht der Film, seinen eingeschlagenen Gute-Laune-Kurs zu halten. Zumeist lacht der Zuschauer eher über als mit der Hauptdarstellerin, wenn Cora beispielsweise ihre akribisch vorbereitete Liste mit Gesprächsthemen für das nächste Rendezvous ihrem Angebeteten in die Hände fallen lässt oder im Restaurant verzweifelt versucht, ihr klingelndes Handy aus dem Mantel zu zerren und sich dabei gnadenlos verheddert. Der Rest jedoch ist behäbiges, teutonisches Beziehungsgeflecht, das viel zu selten von dem ein oder anderen gelungenen Lacher aufgelockert wird. Überdeutlich schielt Ralf Huettner, wenn er scheinbar willkürlich die Zeitebenen der Erzählung durcheinander würfelt oder seine Hauptdarstellerin direkt zum Zuschauer sprechen lässt, auf das Prädikat "Kult" und verwechselt dabei viel zu oft Skurrilität mit Wirrwarr, Eigendynamik mit Konfusion und Originalität mit Ziellosigkeit. Nur über neurotische Endzwanziger zu erzählen, die sich in Herzensdingen verklemmter und trampeliger anstellen als jeder moderne "Bravo"-Leser ab 16 Jahren, reicht eben nicht zu einer "bewegten Frau" oder zum Format einer deutschen "Ally McBeal". "Mondscheintarif" will ein Film über Frauen sein und erklären, warum sich Frauen bisweilen etwas seltsam benehmen. Herausgekommen ist allerdings nur ein etwas seltsamer Film.

Johannes Pietsch

Links:
Die offizielle Seite zum Film

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