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Die Königin der Verdammten

Die Figur des Vampirs als populärster Untoter des gotischen Grusels hat wie kaum ein anderer Typus seinen Niederschlag in der Literatur gefunden: Angefangen von Goethes Gedicht "Die Braut von Korinth" über Stokers Vampir-Ahnvater "Dracula" bis zu den zeitgenössischen Romanen einer Anne Rice.

Anne Rice bereicherte mit dem Nobel-Vampir Lestat de Lioncourt die literarische Welt der Nachtgestalten um eine weitere Figur und schuf mit ihm endgültig den Prototypen des Blutsaugers für die Popkultur. "Er ist schön wie ein gefallener Engel", schreibt die Autorin über ihren dunklen Helden, "und wenn er lacht, bersten die Spiegel, doch seine Tränen sind bitter, und sein Lebenselixier ist Blut." Neil Jordan kleidete 1994 "Interview with a vampire", den ersten Roman von Anne Rice' Chronik der Vampire, in schwelgerisch schöne Kinobilder und vereinigte mit Tom Cruise, Brad Pitt, Antonio Banderas und Christian Slater gleich vier gestaltgewordene Jungmädchen-Träume Hollywoods und umschwärmte Idole der Jugendkultur. Jordans Film wurde ebenso geschmäht wie hochgelobt, insbesondere Anne Rice, die zunächst gegen die Besetzung ihres Kultvampirs Lestat mit Tom Cruise Sturm gelaufen war, etablierte sich später als großer Fan des Jordan-Castings.

Aaliyah
Die zweite Rice-Verfilmung "Queen of the damned" muß da in jeder Hinsicht mit sehr viel spartanischeren Mitteln auskommen. Zum einen fußt diese Adaption auf dem wohl schwächsten Roman von Anne Rice' Vampir-Chronik. Zum anderen standen vom Vorgängerfilm weder der Regisseur noch die Stars zur Verfügung, vielmehr musste sich Regisseur Michael Rymer bei der Hauptrolle mit Newcomer Stuart Townsend begnügen, der manchem möglicherweise durch seine Rolle in der britischen Gaunerkomödie "Shooting Fish" in Erinnerung geblieben ist, sowie einigen halbwegs bekannten Gesichtern der zweiten und dritten Hollywood-Garnitur. Aaliyah, die Darstellerin der titelgebenden Königin der Verdammten, kommt derart selten ins Bild, dass ihre Rolle fast dem eines großzügigen Cameos gleichkommt, was jedoch vor allem auf ihren plötzlichen Tod während der Dreharbeiten zurückzuführen ist.

Dem ist es wahrscheinlich ohnehin zu verdanken, dass der Film vorab eine so vergleichsweise hohe Publicity zuteil wurde. Tragische Todesfälle bei tatsächlichen, angeblichen oder potentiellen Stars sind der Stoff, aus dem nicht nur Legenden, sondern auch kommerzielle Erfolge gestrickt werden, insbesondere, wenn sich diese Jungmimen just auf dem Sprung zur Weltkarriere befanden. So war es bei Brandon Lee, der auf dubioseste Weise während der Dreharbeiten zu "The Crow" ums Leben kam.

Stuart Townsend ist als Nobel-Vampir mit bleichem Gesicht und schwarzer Mähne optisch und mimisch eine reine Kopie von Brandon Lees "Crow", charakterlich ein romantischer Rebell, den es aus dem nächtlichen Dunkel seiner blutgetränkten Unsterblichkeit ans Licht und in die Nähe der Menschen zieht: Rymers Lestat ist kein Monstrum, kein blutrünstiger Nachtmahr, sondern ein Narzißt mit Reißzähnen, der nicht gefürchtet, sondern vergöttert und geliebt werden will. Wenig ist geblieben von der Aura der Gnadenlosigkeit, die Tom Cruise bei Neil Jordan umgab: Dieser Lestat, der sich nach langjährigem Untotenruhe zum Leadsänger einer Gothic-Rockband aufschwingt und - im Roman ebenso lächerlich wie im Drehbuch - damit "berühmter als Elvis" wird, beißt nur ab und an zu, mal einen betrunkenen Obdachlosen hier, mal ein paar Groopies da, und selbst das stets mit dem nötigen Chic und der passenden Pose.

Townsend macht seine Sache ordentlich, seine Performance als charismatischer Gothrocker-Poser pendelt irgendwo zwischen Trent Reznor, dem jungen Ozzy Osbourne und HIMs Ville Valo und kann sich in den vor Energie vibrierenden Konzertszenen ebenso sehen lassen wie seine Einlagen als verführerischer Jung-Dracula mit Don-Giovanni-Attitüde. Vincent Perez ist als Schöpfer, Mentor und väterlicher Freund Lestats das (darstellerisch natürlich ungleich schwächere) Pendant Sean Connerys aus "Highlander", der seinem einstigen Vampir-Sprößling und Schüler Lestat ganz nach dem Prinzip "Es kann nur einen geben" gegen die Horden der übrigen Vampire beisteht, als diese ihren aufmüpfigen Artgenossen wegen Geheimnisverrats in den Medien so schnell wie möglich mundtot machen und zu Asche verarbeiten möchten. Ein wenig darstellerische Substanz bringen die Charakterköpfe Paul McGann, Bruce Spence und Lena Olin auf die Waage.

Natürlich hat auch "Queen of the damned" seine gelungenen Momente, speziell in der ersten Hälfte, die in zahlreichen Rückblenden von der Entstehung und der Vampir-Lehrzeit Lestats berichtet und die mit üppiger Ausstattung und stilvollen Dekors zu glänzen weiß. Wenn jedoch Aaliyah in Hälfte zwei im äußerst luftigen Kettenbikini Heerscharen gegnerischer Vampire zerfetzt, genüßlich in ein noch zuckendes Herz beißt oder sich wollüstig-dekadent mit Lestat in einer edlen Marmorbecken räkelt, dann ist satte Exploitation auf Direct-to-Video-Niveau angesagt. Den einzigen wirklich schaurigen und zugleich großartigsten Augenblick erlebt Michael Rymers Film, als Aaliyah ihrem Auserwählten ihr Reich vor Augen führt, ihr "kingdome of corpses", eine schauerliche Landschaft aus Leichenbergen, die den philanthrop veranlagten Lestat in pures Entsetzen versetzt.

Michael Rymers Film verquirrlt zu viele Zutaten, will zu sehr gleichzeitig romantisches Gruseldrama sein wie schwülstiges Eroticon und blutiger Vampir-Reißer, um ein homogenes, stimmiges Ganzes zu ergeben. "Queen of the damned" ist viel zu unblutig, um als brachialer Schocker durchzugehen, und viel zu wenig ironisch, um sich und das Genre des Vampirfilms gekonnt auf die blutgetränkte Schippe zu nehmen.

Johannes Pietsch

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