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R.E.M. live in Berlin

Die letzte wirkliche Supergroup des so genannten Alternative Rock kam nach vier Jahren wieder in die Hauptstadt zu einem Auftritt in der Waldbühne. Dies ist eigentlich etwas verwunderlich, denn momentan haben R.E.M. kein aktuelles Album, das es zu promoten gäbe.

"In Time", ihre erste Best-Of-Compilation auf Warner, erscheint erst am 27.10.2003; mit dem nächsten Studioalbum ist nicht vor Frühjahr 2004 zu rechnen. Andererseits ist eine solche Vorgehensweise nicht untypisch für das Trio aus Athens/Georgia: so weigerten sie sich Anfang der Neunziger trotz zweier Megaseller (die Alben "Out Of Time" und "Automatic For The People") die Stadien der Welt zu bereisen. Bei der jetzigen Tour drehen R.E.M. den Spieß also einfach um. Sie gehen aus purer Lust auf Tournee.

Das Motto des Abends: LUV – Liebe.
Foto: noize.cc
Diese Lust merkte man den dreien auch an. Völlig von Zwängen befreit, spielten sie ein ganz starkes Set, dessen Schwerpunkt auf älteren Songs lag (allerdings keine Stücke von den Alben "Murmur", "Reckoning" und "Green"). Insbesondere spielten sie die Originalversion von "Drive", und nicht dessen zickige Funkversion. Auch das Bühnendesign zeugte einmal mehr von der Stilsicherheit der Band: im Hintergrund eine Leinwand mit einer geschäftigen Straße im fernen Osten, davor glitzernde und schillernde Transparente, sowie drei zentral aufgestellte Leuchtbuchstaben mit den Lettern L, U und V. Dies sollte auch ganz klar das Motto des Abends sein: Love, die Liebe.

Zwischen Bühne und Auditorium knisterte es nur so vor Liebe: jedes Stück wurde frenetisch bejubelt, und die Band zeigte sich in euphorischer Stimmung: obwohl die Zeit nicht spurlos an ihnen – und vor allem an der Begleitband – vorübergegangen ist, hüpften und scherzten sie herum, als ob sie gerade mal zwanzig Jahre alt wären. Ein blendend gelaunter Michael Stipe widmete sich ganz dem Publikum, nahm sogar ein von einem Fan selbstgemachtes T-Shirt entgegen und zog es sich über. Gitarrist Peter Buck machte seine berühmt-berüchtigten Windmühlenbewegungen und Bassist Mike Mills hatte mit seinen dezent eingestreuten Witzchen die Lacher auf seiner Seite. Sogar zu einem kurz improvisierten Intermezzo ließ sich die Band hinreißen: passend zum Wetter stimmte Stipe den Klassiker "Have You Ever Seen The Rain?" an.
Seid umschlungen, Millionen: Michael Stipe.
Foto: noize.cc
Auch der Sound ist knackiger und straffer als auf der vorigen "Up"-Tour. Dies liegt maßgeblich auch am neuen Tourschlagzeuger Bill Rieflin, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger Joey Waronker eine eher traditionelle und elementare Rhythmussektion bereitstellte und auf exzessive Perkussion mit allerlei merkwürdigen Schlaginstrumenten verzichtete. Interessanterweise bekam Bassist Mills deutlich mehr Gesangsparts als auf den bisherigen Tourneen, was den Songs aufgrund seines jugendlichen Organs eine gute Portion Frische verlieh. Und Stipe traf jeden Ton perfekt, was ihm auf der 1995er "monster"-Tour beispielsweise nicht immer gelang.

Selbst zwei neue Songs wurden vorgestellt: zum einen "Animal", ein wüst rockendes Stück, das sich klanglich zwischen den Alben "Monster" und "Reveal" bewegt, und bei dem man sich ein ums andere mal fragt, ob die Band jemals aufhören wird, perfekte Monsterriffs und eingängige Killerrefrains aus den Ärmeln zu schütteln. Zum anderen wurde ihre folgende Single "Bad Day" gespielt, das ein Überbleibsel aus den Sessions zum 1985er Album "Fables Of The Reconstruction" ist, und an "It's The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)" und "I Believe" erinnert, und hinter der vermeintlich fröhlichen Melodie Stipes wohl bislang zynischsten Text verbirgt. Beide Songs werden auch im Oktober auf der Best-Of vertreten sein.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: die fast ausverkaufte Waldbühne kochte; selbst das mieseste Wetter konnte diesen zauberhaften Abend nicht vermiesen und R.E.M. waren in Topform. Eine ganz starke und eindrucksvolle Erinnerung daran, wer immer noch unangefochten die Könige im Rock-Olymp sind.

Daniel Iranyi

Link:
R.E.M. Headquarters

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Setlist
Finest Worksong – What's The Frequency, Kenneth? – Imitation Of Life – Drive – Animal – The Great Beyond – Maps And Legends – Bad Day – The One I Love – Country Feedback – Fall On Me – Losing My Religion – Electrolite – I Believe – Find The River – So Fast, So Numb – Man On The Moon – Walk Unafraid
Zugabe:
Everybody Hurts – She Just Wants To Be – Exhuming McCarthy – It's The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)
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