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Romeo und Julia

Die größte Enttäuschung kommt gleich zu Beginn: Katharina Thalbach, die in ihrer Inszenierung von Shakespeares Romeo und Julia am Berliner Maxim Gorki Theater (Premiere am 22. Januar) als Mercutio auf der Bühne stehen wollte, ist erkrankt und kann nicht spielen. Das ist nicht nur traurig für Thalbach-Fans im Publikum, sondern tut dem ganzen Abend, den sich die Schauspielerin auf den Leib inszeniert hat, nicht gut. Das Stück beginnt mit einem netten Gegenwarts-Gag: Die Schauspieler werden, als Reisengruppen-Chor verkostümiert, von zwei deutsch/englisch prologierenden Damen mit roten Regenschirmen durch den Zuschauerraum auf die Bühne geführt. Hier sehen Sie zwei Häuser, beide gleich an Würde...- bitte nichts anfassen. Wenn Sie mir folgen wollen. Und ab geht's, nur einer bleibt als Pesttoter liegen und schon befindet man sich im alten Verona, in der berühmtesten Liebesgeschichte aller Zeiten, die sich, bekannter- oder weniger bekanntermaßen, vor dem Hintergrund einer Pestepedemie vollzieht, auf die hier immer wieder hingedeutet wird.

Die jungen Liebenden sind am Gorki wunderbar frische Teenager, und am stärksten in den Szenen, in denen sie nur zu zweit und bei sich sind, hier schüchtern, dort begierig auf die neue Erfahrung. Wenn es über die Zweisamkeit hinausgeht, bleibt Fabian Krüger linkisch-verspielt, wird nicht zum tödlich hassenden, nicht zum tödlich liebenden Romeo. Heike Warmuth dagegen wechselt nahtlos glaubwürdig von der pubertierend-trotzigen Göre zur todunglücklichen jungen Frau oder zum naiven kleinen Mädchen und spielt mit großer Energie und Bühnenpräsenz. Auch das übrige Ensemble spielt sehr gut, fast jeder hat mehrere Rollen zu bewältigen. Hervorzuheben sind Pierre Besson als wilder, rauher Mercutio und weiser Pater Lorenzo, ein glaubhafter Benvolio (Norman Schenk), der Furcht einflößende Capulet (Rainer Kühn) und seine kalte, etwas zu jung besetzte Gattin (Anna Kubin).

Das Ensemble führt das amüsierte Publikum mit viel Spielfreude durch die manchmal wirklich lustige, manchmal allzu alberne Inszenierung. Das macht meistens Spaß und wird nicht langweilig, wirklich berührende Momente aber gibt es kaum, wo jede Empfindung, sei es Liebe, sei es Trauer, sei es Angst, sei es Wut zuerst übertrieben und dann ironisiert wird, etwa wenn Mercutio, pathetisch sterbend, mehrmals sein "die Pest auf eure beiden Häuser" wiederholt, und dann im Abgehen noch ein kopfschüttelnd-belustigtes "ehrlich, eure Häuser" hinterherschiebt. Zwar kommt das Publikum durch diesen Bruch wieder vom hohen Ross des Pathos herunter, aber hätte man es dann wirklich erst draufsetzen müssen? Gespielt wird nach der Übersetzung von Thomas Brasch, die gelegentliche Derbheiten des Originals, wie sie vor allem Mercutio von sich gibt, nicht wegschönt. Doch über's - hier muss es so gesagt werden - Ficken wird nicht nur geredet, die Zentralität des Geschlechtlichen setzt sich in vielen eindeutigen Gesten der Schauspieler zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit fort. Statt die überhöhte, reine Liebe des jungen Paares zu kontrastieren und damit ihren Wert zu zeigen, erlangt das Obszöne, das Vulgäre ein Übergewicht, bis es nur noch zotig ist.

Eine Besetzung des Mercutio mit der koboldigen Katharina Thalbach hätte die Einseitigkeit gebrochen und den Abend wieder ins Gleichgewicht bringen können. Ihre Vertretung, der stämmige Pierre Besson, spielt ausgezeichnet, ist aber bei dieser Konzeption eine Fehlbesetzung. So bleibt das ganze nur eine nette, lustige Abendunterhaltung, die großen Gefühle sucht man vergebens und so auch die tiefere Berührung.

Nora Mansmann

Link:
Das Maxim Gorki Theater

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