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Manipuliertes Saatgut - Fluch oder Segen?

Relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit ist seit längerer Zeit ein recht interessanter, aber ambivalenter Prozess zu beobachten: Die Abnahme der Arten- und Genvielfalt in der Landwirtschaft.

Dienten dem Menschen früher noch über 500 verschiedene Kulturpflanzen als Nahrungsbasis, liefern heute nur noch rund 30 Pflanzenarten 95% der Nahrung. Überhaupt werden nur etwa 100 dieser Arten kommerziell angebaut. Die wachsende Menschheit ist also von immer weniger Pflanzenarten samt deren Erbanlagen abhängig. Die Ursprünge und Gründe dieser Entwicklung sind in der industriellen Revolution - "Grüne Revolution" - und dem Fortschritt in der Gen- und Biotechnologie zu finden.

Mit Beginn der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert setzte Konkurrenz und wirtschaftliches Arbeiten auch in der Landwirtschaft ein: Kostensenkung, Arbeitskräfteeinsparung, Spezialisierung, Mechanisierung und einheitliche Bebauung waren die Folge. Gleichzeitig entfiel aber auch die Vielfalt traditioneller Pflanzen- und Saatgutsorten, da zunehmend die Eignung einer Nutzpflanzenart zur maschinellen Ernte und automatisierter Verarbeitung, ihre Transportfähigkeit, ihre Haltbarkeit und ihr appetitliches Aussehen wichtiger als deren Geschmack oder ihr Nährgehalt wurde. Der Anbau ganzer Arten lohnte sich plötzlich finanziell nicht mehr.

Wirtschaftliche Kriterien, die Dynamik des Marktes und die Nachfrage entscheiden heutzutage über "erwünschte" Eigenschaften, weswegen von Züchtern neue "Hochleistungssorten", die diesen Ansprüchen genügen, geschaffen werden. Diese neuen Sorten sollen möglichst hohe Erträge liefern und zudem unabhängig von Umwelteinflüssen oder regionalen Besonderheiten anzubauen sein.

Hohe Erträge sind auch wünschenswert und dringend erforderlich: Viele Zuchtprojekte wurden nach dem zweiten Weltkrieg gestartet, um den Hunger durch neue Sorten und Ertragssteigerungen zu beseitigen. Durch Gen-Einkreuzungen gelang es, eine Sorte "Superweizen" heranzuzüchten, der die Erträge z.B. in Indien von 10,4 Millionen (1966) auf 28,3 Millionen Tonnen (1977) ansteigen ließ. Seit 1969 ist bei der Züchtung von Nutzpflanzen eine weitere Methode möglich: Der Gentransfer, also der Austausch und die Programmierung von Erbinformationen, wodurch Pflanzensorten je nach Bedarf "maßgeschneidert" werden können. Jetzt werden bestimmte Eigenschaften (z.B. Immunität und Resistenz der Pflanzen gegen Krankheiten) zielgerichtet eingebaut. Neu ist auch die Zellkulturtechnik (Mikrovermehrung), die darauf beruht, dass die DNA der gesamten Pflanze schon in einer einzigen Zelle gespeichert ist. Indem man im Labor durch Keimzellenentnahme Zellkulturen anlegt, können in kurzer Zeit viele Pflanzen mit gleichen Genen gezüchtet werden. Auch gezielte Mutationen mit Hilfe von Bestrahlung und Chemikalien gehören zu den neuen Methoden der Gentechnik.

Problematisch an der "Grünen Revolution" ist jedoch, dass diese "Supersorten" mehr Dünger und Pestizide benötigen, was die Umwelt schädigt und zugleich die Anbaukosten verteuert. Auch hier wurde die Variationsbreite der kultivierten Arten immer geringer. Mit z.T. fatalen Folgen: Zum einen sind die neuen Sorten anfälliger für Schädlinge und Parasiten, da sie wegen Inzucht meist erbgleich sind. Zum anderen geht die Genvielfalt durch die Verdrängung der traditionellen Sorten und ihres Saatguts sowie durch die Konzentration der "Hochleistungszucht" auf wenige Arten und ihre Gene verloren.

Um die Arten- und Genvielfalt dennoch zu sichern, werden von Lebensmittelkonzernen, Regierungen und internationalen Organisationen wie der Welternährungsorganisation der UNO (FAO) mittlerweile Genbanken zur Speicherung des Genmaterials der sogenannten "Wawilow-Zentren" angelegt. Denn bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckte man, dass es überwiegend in der südlichen Hemisphäre acht Haupt- und drei Nebenzentren - die Wawilowsche Zentren - gibt, in denen die Ursprungsgebiete der Nahrungspflanzen mit reicher Variationsbreite und Genvielfalt liegen.

Ein Beitrag zur vielbeschworenen Nachhaltigkeit wäre es demnach, die Nahrung des Menschen wieder auf eine artenreichere und damit auch genetisch vielfältigere Basis zu stellen.

Stefan Ewert

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