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Salome

Salome, die Tochter der Herodias, ist ein verzogenes, heftig pubertierendes Gör. Ausgerechnet auf den gefangenen Propheten Jochanaan (Martin Brauer) hat sie es abgesehen, der aber will nichts von ihr wissen und schreit lieber Verwünschungen aus seinem Zisternen-Loch, das in wechselnden Farben gruselig leuchtet. Salome (Nele Rosetz) will den keimigen Langhaarigen, der später auftaucht, um eine Art Lenny Kravitz von Judäa zu werden, unbedingt küssen – und wenn sie ihm dafür erst den Kopf abschlagen lassen muss.

Salome mit dem Haupt von Johannes dem Täufer (Gemälde von Mattia Preti, 17. Jh.)
Foto: kfki.hu
Jürgen Kruse hat Oscar Wildes "Salome" an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in düsterer Atmosphäre inszeniert (Licht: Ingo Greiser). Auf Wilfried Minks' opulent ausgestatteter Bühne verteilt der Regisseur einen Haufen bunten Volks; darunter eine Menge zusätzlicher Figuren, die zwischen ihren kurzen Textpassagen die Festgesellschaft geben. Der Herr am Hofe, Herodes himself, ist ein jovial schwadronierender Gernegroß: Kruse lässt Bernd Stempel die Texte des Tetrarchen gnadenlos ironisieren, was genau der richtige Lösung ist, um die unerträglichen Sentenzen und Weisheiten auf die Bühne zu bringen, die Herodes ständig von sich gibt – das kann man gar nicht ernst nehmen. Trotzdem lässt Stempel der Figur ihre Würde und macht sie obendrein sympathisch – dafür am Ende viel Applaus.

Ganz anders zeigt sich Herodias, die Frau des Tetrarchen: Barbara Schnitzler spielt sie als kühle Intelligenz im Hintergrund, die, ihren Mann an Verstand überragend, in Wirklichkeit die Fäden zieht. Zwischen den beiden "Eltern" steht Salome, verzogenes Gör, aber auch Opfer ihrer Umwelt, des ständigen Streits der Erwachsenen, meist über das alte Thema der "blutschänderischen Ehe": Herodes hatte seinen Bruder getötet, um dessen Frau Herodias zu heiraten. Dafür beschimpft nun der Kravitz-Jochanaan das Königspaar aus seinem unterirdischen Gefängnis.

Oscar Wildes Text ist recht kurz, seine Behandlung des Salome-Stoffes nicht abendfüllend. Jürgen Kruse hat einiges an schmückendem Beiwerk aufgeboten, um den Theaterabend auf knapp zwei Stunden zu strecken, dazu gehören die zusätzlich eingeführten Figuren. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die tragödiale Handlung durch Einwürfe zu brechen, etwa wenn die Soldaten (Andreas Stadler, Ian Dickinson), die während es ganzen Stückes an der Rampe stehen, sich unterhalten über ihre Gage ("ähhh.... Sold") und am Ende beschließen, doch zu Cäsar ("der Schwuchtel") zu wechseln, weil der besser zahlt. Wenn der junge Römer Tigellinus (Daniel Rossmeisl) auf's Stichwort "Hu-ha!" brüllend, im Hintergrund herumtänzelt und sich schließlich in einen Japaner verwandelt. Oder wenn die beiden schwarzen Henker (Appolain Siewe, Krylon Superstar) sich während des ganzen Stückes damit beschäftigen auf und ab zu laufen, "eiskaltes Blut" zu rufen und hin und wieder das Publikum mit ihren Riesenschwertern zu blenden.

Ja, es passiert einiges im Hintergrund, was die Handlung nicht eben stört, aber auch nicht vorantreibt, gelegentlich zum Lachen anregt aber keinen tieferen Eindruck hinterlässt bis auf das Gefühl, dass hier einige Schauspieler (und eine Menge Statisten) unnötig bemüht worden sind. Das fügt sich in den Eindruck der ganzen Inszenierung: Es gibt viel zu sehen und zu hören, eine eindrucksvolle Bühne, schöne Kostüme (Caritas de Wit), sehr gute schauspielerische Leistungen bis hin zur Statisterie, Musik von Wagner bis Johnny Cash, Witzeleien ohne Ende (Bob Dylan tritt auch noch auf), dabei trotzdem noch erkennbar die Tragödie Johannes des Täufers – aber in diesem bunten Bilderbogen fehlt doch zu sehr der Bezug all der Zutaten und Assoziationen zum Thema, zum Stück, zum Stoff, sodass alles ein bisschen beliebig wird. Weniger hätte mehr sein können, unterhaltsam ist Jürgen Kruses Salome an den DT-Kammerspielen aber trotzdem.

Nora Mansmann

Link:
Deutsches Theater Berlin

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