Der Schuh des Manitu
Als "größte Stunde des bundesrepublikanischen Films in seiner meist
nicht verstandenen und nicht vorhandenen Qualität als Showbusiness"
bezeichnete Joe Hembus in seiner Enzyklopädie der Western-Filme den
"Schatz im Silbersee".
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Sky Du Mont (r.) ist der aalglatte Gangster Santa Maria. |
1962 löste der von Horst Wendtland produzierte
und von Harald Reinl inszenierte Streifen, jene "fruchtbare Vermählung
des meistgeliebten Subgenres der deutschen Trivialliteratur mit dem
international populärsten Filmgenre" (Joe Hembus), die bis heute
mythisch verklärte Welle von Karl-May-Verfilmungen aus, die inzwischen
zum Standardrepertoire des nachmittäglichen TV-Programms eines jeden
kirchlichen Hochfestes zählen und bei Millionen Fans absoluten
Kultstatus besitzen. Keine kleine Aufgabe also, diesem
berühmt-berüchtigten Nationalheiligtum teutonischen Filmschaffens mit
einer Parodie zu Leibe zu rücken. Dass der durch die Winnetou-Sketche in
seiner "Bully-Parade" geübte Michael "Bully" Herbig diese Aufgabe so
leichtfüßig und wenig peinlich absolvierte, gehört zu den angenehmsten
Überraschungen dieses Kinosommers.
Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und zweifacher Hauptdarsteller -
Tausendsassa Herbig wollte es diesmal genau wissen. Einen Kindheitstraum
hat sich der Comedy-Star mit dem Western-Klamauk erfüllt, denn Michael
Herbig kratzt nicht an dem Nimbus der Karl-May-Klassiker, sondern
vollführt mit jedem Gag und jedem Klamauk zugleich eine tiefe Verbeugung
vor den Originalen. Selbst ein Lex Barker könnte diesen Verballhornungen
nicht böse sein, so liebenswürdig hat sich der Regisseur die ersten
kontinentalen Western von damals zur Brust genommen.
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Ein feuriges Halbblut namens Uschi... |
Das gesamte, kunterbunte und skurrile Panoptikum jener
Schwarzwald-Western der Wirtschaftswunderzeit, in denen neben Lex
Barker, Pierre Brice, Stewart Granger, Terence Hill (der damals noch
Mario Girotti hieß) und Götz George auch ein Chris Howland, ein Eddie
Arendt und sogar ein Heinz Erhardt durch die Prärie ritten, hat "Bully"
Herbig konserviert und zu einer ebenso klamaukigen wie charmanten und in
jeder Konsequenz detailgetreuen Hommage zusammenmontiert.
Die (natürlich völlig belanglose) Story des Films ist mehr oder weniger
eine Eins-zu-eins-Kopie des "Schatzes im Silbersee", der damals das
Grundkonstrukt für praktisch alle folgenden Karl-May-Filme lieferte.
Gute Weiße werden von bösen Weißen übers Ohr gehauen, und eigentlich
gute Indianer halten die Guten für böse und graben das Kriegsbeil aus,
in diesem Fall in Ermangelung einer solchen Waffe auch mal zur
Abwechselung einen Klappstuhl. Irgendwo in einer tiefen Höhle liegt auch
noch ein Schatz herum, um den es eine Menge Keilerei gibt.
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Auch Dimitri sagt "Hellás!" |
Alles zum
Guten wenden können letztendlich nur die beiden legendären Blutsbrüder,
die damals Winnetou und Old Shatterhand hießen. Heute heißen sie
Abahachi und Ranger, brabbeln Schwabinger Dialekt und zanken sich
meistens wie ein altes Ehepaar. Abahachis rosagewandeter Zwillingsbruder
Winnetouch (Herbig in einer Doppelrolle) darf als tuntiger Chef der
Schönheitsfarm Puder Rosa die Fingernägel harter Westernmänner maniküren
und Cocktails mit einen Tomahawks darauf servieren. Auf Seiten der Bösen
im Land, wo die Schoschonen schön wohnen, setzt vor allen anderen der
wunderbare Sky Dumont Glanznoten gehobenen Blödsinns.
Die Überfall der Banditen auf eine Farm, die betörende Salonschönheit
(die hier Uschi heißt), der mondäne Banditenchef, der seine Truppe wie
ein Grundschullehrer befehligt ("Jetzt gehen wir alle noch einmal aufs
Klo, und dann reiten wir los.") - kein Klischee, kein Pathos der
Harald-Reinl-Filme wird ausgelassen, um es genüsslich in den
Schokoladentrunk zu dippen. Die Zitate anderer Filmklassiker machen
genauso viel Spaß, ob James Bond (da hat der Schoschonenhäuptling
Listiger Lurch doch tatsächlich wie einst Ernst Stavro Blofeld seine
Katze ein Kaninchen auf dem Arm!), Sergio Leone, Kevin Costner oder
Indiana Jones.
Michael Herbig erzählt seinen Karl-May-Cocktail mit einem immensen
Gespür für Bilder, Kameraeinstellungen, Musik und Atmosphäre. Schon in
"Erkan und Stefan" verriet der Kreativkopf der Bullyparade ein Händchen
für große Kinobilder, welches er damals allerdings weitgehend an die
beiden grenzdebil blödquatschenden Hauptdarsteller verschwendete. Hier
ist ihm eine Parodie gelungen, die diesen Namen verdient, die mit ebenso
viel Liebe zu den Originalen wie zum anarchischen Klamauk unterhält und
dabei ausnehmend wohltuend die unsäglichen Rektalregionen
zeitgenössischen Filmhumors ausspart.
Johannes Pietsch
Links:
Offizielle Seite
Trailer (Quicktime, ca. 5 MByte)
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