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Recht und Sex

Sex up your life! Dieses Motto befolgen anscheinend auch viele Kläger vor Gericht.

Früher war, wie wir alle längst wissen, alles anders. Die Luft war sauberer, die Menschen netter und Liebe (und erst recht Sex) war etwas Intimes, etwas, was man nicht selten nicht einmal seinen Eltern erzählt hat. Das Geheimnis, die Magie der körperlichen Nähe war unantastbar und niemand dachte auch nur im Entferntesten daran, sie fremden Menschen anzuvertrauen und schon gar nicht in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen.

Heute ist dies anders. Heute finden sich schon mal Leute, die allen Ernstes beim Sozialamt einen Anspruch auf wöchentlichen Bordell-Besuch geltend machen und die den Preis einer Urlaubsreise mindern wollen, weil in ihrem Zimmer statt eines Doppelbetts zwei Einzelbetten auf rutschigen Fliesen standen und "bei jeder kleinsten Bewegung auseinanderrutschten", was ein "harmonisches Beischlaf- und Einschlaferlebnis" völlig unmöglich machte (Original-Zitate aus der Klageschrift).

Dabei ist das deutsche Recht in solchen Sachen eher zurückhaltend. In § 888 der Zivilprozessordnung heißt es zum Beispiel ganz kleinlaut, dass der Anspruch eines Ehegatten gegen den anderen auf "Herstellung des ehelichen Lebens" zwar besteht, aber nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann (wie denn auch?). Sonst finden sich Bestimmungen zum Thema Liebe, Sex und Zärtlichkeit in den Gesetzen eher selten bis gar nicht. Damals, im Jahre 1900, als das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft trat, war es eben nicht selbstverständlich, dass Menschen Streitigkeiten auf diesem Gebiet vor Gericht austrugen. Das war eher der Person selbst oder der Familie überlassen. Man ging offensichtlich davon aus, dass es einen Bereich des Lebens gibt (oder geben sollte), der nicht gerichtlich klärbar ist. Mit der Zeit gab es aber mit zunehmender Liberalisierung der gesellschaftlichen Moral ein immer größeres Bedürfnis, sich damit auseinanderzusetzen, weil Sex ein ebenso selbstverständlich diskutierbarer Teil des Lebens wurde wie der Kauf einer Waschmaschine oder der Strafzettel fürs Falschparken.

Und so mussten Richter immer öfter neuartige Probleme mit einem dafür ungeeigneten, "altmodischen" Recht lösen. Sie bemühten sich zunächst, ihnen aus dem Weg zu gehen, und solchen "Schmuddelkram" für immer aus den Gerichtssälen zu verbannen. Dazu erklärten sie z.B. alle Verträge mit Prostituierten oder mit Telefonsex-Damen kurzerhand für sittenwidrig und ungültig. Sittenwidrig wohlgemerkt, obwohl die Besucherzahlen in den Freudenhäusern ganz andere Sitten der Bevölkerung offenbarten. Und auch im Bereich Ehe war man als Richter eher unbeholfen, wenn man einen einschlägigen Fall in die Hände bekam. So entschied ein Richter ganz schüchtern Ende der 70er Jahre, dass eine Ehefrau beim "Beiwohnen" des Ehemanns nicht demonstrativ gelangweilt zur Decke schauen darf. Den Umstand, dass ein Ehemann sich erdreistet, diesen Sachverhalt vor Gericht zur Sprache zu bringen, hat der Gesetzgeber damals sicher nicht bedacht. Und so musste der Richter - wahrscheinlich mit hochrotem Kopf - diese "Weisheit" sich aus den Fingern saugen.

Mittlerweile ist man aber in dieser Sache mutiger geworden. So hat sich ein Gericht letztens sogar ganz kühl-berechnende Gedanken zu diesem Thema gemacht: Ein Mann forderte Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls von seinem Unfallgegner. Aufgrund des Unfalls wurde der Geschädigte querschnittsgelähmt, und deswegen verließ ihn seine Freundin. Der Mann meinte, der andere müsse ihm nun für die entgangenen sexuellen Freuden aufkommen und ihm regelmäßig "professionelle" Liebe bezahlen. Der Richter rechnete die Sache durch und meinte recht unbeeindruckt: Geld für die Dirnen gibt's nicht! Denn eine Freundin kostet im Schnitt sowieso mehr als ein Bordellbesuch, deswegen ist der Geschädigte jetzt sogar ein Stückchen reicher als vorher! Wie die Römer sagten: Tempora mutantur, und wir ändern uns mit ihnen.

Alexander Archangelskij

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