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Trainspotting"Sag ja zum Leben. Warum sollte ich das machen. Ich wählte etwas anderes. Gründe? Braucht es welche, wenn du Heroin hast..." Irving Welshs Trainspotting ist in den 90ern als Buch und vor allem als Film zum Kult geworden - als (realistischer?) Ausdruck des Lebensgefühls einer Generation. Eine Bühnenfassung zeigt nach der Berliner Volksbühne nun auch das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Inmitten der kalten Betonwände des Malersaals, zwischen einem Sichtschutz aus Glasbausteinen, einem Aquarium mit Sockel, einem Flokati und mehreren Kloschüsseln (Bühne: Julia Ries) liegt der Ort für die Inszenierung von Nils Daniel Finckh. Hier stolpern die Figuren des Films herum: Mark Renton und seine Kumpels Spud, Sick Boy, Tommy und Franco, dazu die beiden Mädels Allison und Lizzy. Wer jedoch erwartet, die Handlung aus dem Kino wiederzufinden, wird enttäuscht. Allenfalls einige Motive und Szenen scheinen bekannt, vieles hinzugefügt. Jede längere zusammenhängende Geschichte aus der Vorlage fehlt, viele kurze Szenen folgen aufeinander. Das vermittelt ein Gefühl für die allgemeine Situation der Personen, zu einem linear erzählten Plot fügen sich die Szenen nicht zusammen. Robert Stadlober in der Hauptrolle überzeugt schauspielerisch, will aber mit seinen niedlichen Wuschelhaaren nicht recht in die Rolle des abgefuckten Junkies Mark passen, er ist doch zu sehr der Typ Schwiegermutterliebling. Am ehesten seinem filmischen Vorbild entspricht Franco (Felix Lampe), der allerdings in der Bühnenversion auch eine weiche Seite zeigen darf, wenn er in einer berührenden Szene vom Unfalltod seines kleinen Bruders erzählt. So ist dieser Franco nicht nur eindimensionaler Brutalo; eine mögliche Erklärung seines aggressiven Verhaltens wird aufgezeigt, ohne dass sie als zwingend behauptet wird. Überhaupt wird recht viel erzählt auf der Bühne; während im Spiel Gefühle bebildert werden, findet die Handlung im Text statt. Das ist bei Szenen wie bei Spuds Erlebnis mit dem Bettlaken auch kaum anders möglich: Nach der grandiosen Umsetzung im Film hat Finckh sehr gut daran getan, sie nicht einfach nachspielen zu lassen. Spud (Tillbert Strahl-Schäfer) erzählt stattdessen, und das äußerst wirkungsvoll. Dennoch ist Finckhs Inszenierung durchaus nicht nur statisch-episch angelegt. Zwischen den wenigen langen erzählten Stellen findet der Regisseur immer wieder schöne, eindrucksvolle Bilder, die vieler Worte nicht bedürfen und gleichzeitig die Kommunikationsunfähigkeit der Figuren erzählen. Lizzy (Juli Malik) hantiert als Abtreibungspatientin in der Badewanne mit einer Flasche Bühnenblut. Tommy (Matthias Walter), der "endlich auch mal probieren" will, steht fast die ganze Zeit nackt bis auf die Unterhose auf der Bühne. Seine Heroin-Initiation bekommt er durch eine Umarmung von Mark, nach der er zu Boden sinkt, mit irren Augen das Publikum fixierend. Finckhs Inszenierung ist keine leichte Unterhaltung, das lässt schon die Vorlage nicht zu. Wenn auch nicht jedes Bild sofort verständlich ist, teilt sich doch ein Gefühl mit, kommt beim Zuschauer an, dass Trainspotting kein cooles Poptheater mit Kultcharakter ist, und dass es in dieser Inszenierung nicht um jugendlichen Lifestyle mit Drogenerfahrungen und ein bisschen Ficken geht, sondern um die Menschen, die runterfallen, um junge Leute, die schon jetzt keine anderen Perspektiven mehr haben als Brutalität und Drogen: um einen wachsenden Teil unserer Gesellschaft. Nora Mansmann |
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