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Das Käthchen von Heilbronn

Ein "großes historisches Ritterschauspiel" nannte Heinrich von Kleist sein "Käthchen von Heilbronn", eine Bezeichnung, die den Dimensionen des sehr wirren Zaubermärchens durchaus angemessen ist. Für Nicolas Stemanns Inszenierung am Deutschen Theater in Berlin wurde der Stadttheater-Klassiker gehörig entrümpelt und die Spieldauer und vor allem die Anzahl der handelnden Personen ordentlich eingedampft (Dramaturgie: Birgit Rasch/Bernd Stegemann).

Inka Friedrich spielt das Käthchen von Heilbronn.
Foto: Deutsches Theater Berlin
Auch auf der Bühne Beschränkung auf's Wesentliche bis zum Minimalismus, ein Bühnenbild ist praktisch nicht vorhanden, zu sehen ist die weiße Bühnenhinterwand, nur in den Proszeniumslogen stehen hinter Plexiglas alte Rüstungen, ein deutlicher Hinweis darauf, dass Ritter ins Museum gehören und nicht auf Stemanns Bühne (Katrin Hoffmann). Nein, es sind keine edlen Ritter, die sich dort oben tummeln, sondern recht verschrobene, gar schmierige Gesellen im bequemen Bundjacken-Look. Graf Wetter vom Strahl (Frank Seppeler) erscheint im legeren hellblauen Anzug, Käthchen (Inka Friedrich) als nettes, einfaches Mädchen von Nebenan und Kunigunde von Thurneck (Aylin Esener) ist dementgegen toughe Geschäftsfrau (Kostüme: Esther Bialas).

Glauben, Vertrauen und Liebe, so erklärt Nicolas Stemann im DT-Magazin, stehen im Mittelpunkt der Inszenierung. Diese Begriffe, diese Werte, die heute so uncool seien, dass man gar nicht danach fragen dürfe, versucht der junge Regisseur in seinem Berliner Debüt zu verhandeln, ohne dabei in Sentimentalität zu verfallen. Es ist eine schnelle Inszenierung, die sich souverän der neuen Medien bedient (Video: Claudia Lehmann): Ein Beamer, der einzige feste Gegestand auf der großen Drehbühne, wirft überlebensgroße Bilder der Protagonisten an die Bühnenhinterwand, stellt die Flammen für Käthchens "Feuerprobe" bereit und dient für Schnelldurchgänge durch langwierige, aber nicht völlig verzichtbare Szenen.

Die Darsteller helfen bei diesem Speed-Up ungeduldig nach, sagen ratzfatz Akte und Auftritte an und moderieren über weite Strecken das Stück. Das ist unterhaltsam, witzig und intelligent gemacht, zwei oder drei Stellen sind allerdings so forsch zusammengestrichen, dass wichtige Informationen fehlen oder untergehen, sodass ohne Kenntnis der Vorlage leicht der Faden verloren gehen kann.

Man amüsiert sich und für Langeweile ist gar keine Zeit, doch emotional bleibt man weitgehend unberührt von dem Geschehen auf der Bühne. Gelegenheit zu Einfühlung gibt es für den Zuschauer kaum, die Inszenierung bleibt immer distanziert. Eine große Ausnahme bildet der 14. Auftritt im 3. Akt, das Erscheinen des Cherubim, der Käthchen durch das Feuer führt. Gesang tönt aus dem Publikum, erst eine Stimme, noch brüchig und zaghaft, dann weitere, immer mehr Frauen und Männer überall im Zuschauerraum erheben sich und fallen in den vierstimmigen Mendelssohn-Satz ein: "Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen". Im Zusammenspiel mit dem Geschehen auf der Bühne erschafft diese Musik den berührendsten, dichtesten Moment der Inszenierung, und hier lässt Stemann sich und dem Publikum die Zeit, bis zum Ende zuzuhören, gleichsam gefesselt von der Kraft der Töne. Gleich darauf schickt der Regisseur Aylin Esener an die Rampe, die lapidar verkündet: "Die Engel vom Käthchen sind doch auch nur ein Konzertchor aus Berlin".

Nora Mansmann

Links:
[b! Rezension] »Salome« am Deutschen Theater
Deutsches Theater Berlin

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