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Essen statt Sex?

Ich soll also eine Kolumne schreiben. Über das Zusammenleben von Männern und Frauen, über Singles in Großstädten und natürlich über die komplizierte Natur des modernen Sexuallebens. Und natürlich haben die letzten zehn Jahre genug Stoff für zahllose Kolumnen geliefert. Ich bin in genug Fallen getappt, habe genug Mr. Not-Quite-So-Rights in mein Schlafzimmer gelassen, einige davon sogar in mein Herz, und es schließlich auch mit Ms. Could-Be-Right probiert. Aber wo fange ich an?

Ich starre abwechselnd auf Tastatur und Bildschirm, und schließlich fällt mir als Ausweg nur noch der Kühlschrank ein, bzw. das Eisfach, um bei der Wahrheit zu bleiben. Leider wirken modernde Äpfel in der Schublade auf mich anders als auf Schiller nicht sonderlich inspirierend. Eine große Portion Eis hingegen hat zwar noch niemandem zum Pulitzerpreis verholfen und ist außerdem schlecht für die Figur, wirkt aber Wunder für die Seele, wie uns tagtäglich in zahlreichen amerikanischen Serien vorgelebt wird (es waren vermutlich auch diese Eissorten mit den unglaublich sahnig-karamelligen Namen, die mich in meinem letzten USA-Urlaub zu einem, nun ja, wohlgenährten Menschen gemacht haben).

In der Küche treffe ich auf meinen männlichen Untermieter, der grad für eine wichtige Sprachprüfung lernen sollte und vermutlich genau deshalb ein Weizenbier in der Hand hat und das riesige, mit Zwiebeln bedeckte Steak beäugt, das vor ihm in der Pfanne brutzelt. Er hat auch keine gute Idee, ist aber sofort bereit, mir Gesellschaft beim Ablenkungsessen zu leisten und einige Geschichten aus seinem sehr bewegten Vorleben beizusteuern.

Während wir uns also durchaus tv-tauglich mit hochkalorischen Ersatzorgasmen sowohl von unserem Mangel an Sex als auch von den eigentlichen Aufgaben des Lebens ablenken, kommt Überraschungsbesuch in Form meiner besten schwulen Freunde dazu. Alle sind derzeit unbemannt, dementsprechend sexuell unausgelastet und haben zur Ablenkung literweise Prosecco und feinste belgische Pralinen mitgebracht.

Einige Stunden und noch mehr Gläser Prosecco später bin ich zwar mehrfach dunkelrot geworden und habe mein theoretisches Wissen über den Variantenreichtum menschlicher Sexualität erheblich erweitert. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wo ich nun anfangen soll und frage mich jetzt außerdem, warum die frustessenden Singles im Fernsehen nicht alle längst wie Hella von Sinnen aussehen.

Dafür weiß ich jetzt sehr genau, daß die meisten nicht berühmten Menschen meiner Generation unabhängig von Geschlecht, Rollenverhalten und Sexualpräferenz im Zweifel vorübergehend Trost im Essen suchen. Erst recht in einer Zeit, in der schneller Sex für eine Nacht leicht die Gesundheit gefährdet, die Beziehungsanbahnung fast unüberschaubar kompliziert geworden ist und das Geld nicht mehr für einen wirklich befriedigenden Kaufrausch beim Gucci-Händler unseres Vertrauens reicht.

Ach ja, und zu dem Teil mit den Männern, den Frauen und dem Sex kommen wir dann nächste Woche. Versprochen.

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

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