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Die ganze Wahrheit über Valentin

Auch wenn es kaum jemand öffentlich zugibt, die meisten Menschen hassen den Valentinstag. Männer vergessen ihn und müssen dafür die nächsten vier Wochen zu Kreuze kriechen und Frauen fühlen sich von der jahreszeitlich verordneten Zwangsromantik noch schlimmer unter Druck gesetzt als von der familiären Weihnachtseintracht.

Am Valentinstag muss offenbar alles in Herzform sein.
Foto: sxc.hu
Es wird immer wieder gern behauptet, der Valentinstag sei eine Erfindung der Floristen, was diese natürlich leugnen, um sogleich auf eine alte römische Tradition zu Ehren der Göttin Juno und auf einen hingerichteten Katholiken zu verweisen. Dabei wird verschwiegen, wer in Wirklichkeit hinter dieser perfiden Tradition steckt: Der »Verein zur Förderung von Ehe und Fortpflanzung«, dessen deutsche Abteilung in einem verschneiten kleinen Örtchen in Niederbayern seinen Hauptsitz hat.

Gegründet wurde der Verein vor etwa 80 Jahren in den USA, als sich dort erstmals sehr zarte Keime des Aufbegehrens von Frauen zeigten, die ihr höchstes Glück nicht in der Mutterschaft sahen. Um den Fortbestand des westlichen Teils der Menschheit besorgt, tüftelten die Väter des Valentinstages einen Plan aus, um fortan alleinstehende Frauen mindestens einmal im Jahr öffentlich zu demütigen.

Unterstützung fanden sie sofort in geschäftstüchtigen Floristen und Gastronomen, die sich zusammenfanden um den 14. Februar erst landesweit, dann international in ein rosenrotes Licht komplett mit Weichzeichner zu tauchen. Und nur wer bereits einen liebenden Partner vorweisen kann, bzw. sich umworben auf dem Weg zur Verpaarung befindet, darf teilnehmen an der allgemeinen Glückseligkeit.

Der Verein schaffte es innerhalb kurzer Zeit, den sozialen Druck bereits in den Schulen zu etablieren. Der Popularitätsgrad und damit auch das Gefühl, etwas richtig gemacht zu haben, bemaß sich bald an der Anzahl der Karten, die heimliche Verehrer einem Mädchen zum Valentinstag schickten – und die sie hinterher unter altersgerechtem Gekicher rumzeigen konnte. Heute werden die Karten zwar meist durch SMS mit schaurigem Herzlogo ersetzt, aber das Prinzip ist geblieben.

Und wenn's schiefläuft mit dem Date...
Foto: sxc.hu
Eine erwachsene Frau soll, wenn es nach dem Willen des Vereins geht, in Grund und Boden versinken müssen, wenn ihr nicht demonstrativ ein üppiges Blumenbouquet ins Büro geschickt wird. Außerdem ist es rund um den Valentinstag für einen Menschen schlicht nicht möglich, allein essen zu gehen. Alle Restaurants haben plötzlich nur noch Zweiertische, servieren ausschließlich romantische Partnermenüs und sind sich meist nicht mal zu schade, das Essen mit aufdringlicher Herzchendekoration zu versehen.

Es ist also kein Wunder, dass ich mich in diesen Tagen über den Valentinstag ungefähr so sehr freue wie ein strenggläubiger Moslem über das nahende Weihnachtsfest. Dabei hatte meine persönliche Valentinskarriere gar nicht mal so schlecht begonnen. Ich war 15, glühend verliebt in einen Jungen aus der Parallelklasse und dieser erwiderte meine Verliebtheit sogar. Alles schien perfekt, bis zu jenem unseligen 14. Februar als er beschloss, bei mir anzurufen und »I just called to say I love you« in voller Länge am Telefon zu singen.

Leider hatte er vor lauter Aufregung beim Anruf meine Stimme mit der sehr ähnlichen meiner Mutter verwechselt, so dass sie in den Genuss des Minnesangs kam. Taktvoll wie sie war, wollte sie den Nachwuchsbarden nicht unterbrechen und wartete entzückt das Ende der Interpretation ab, bevor sie etwas sagte: »Das war ja wirklich ganz reizend. Soll ich jetzt mal meine Tochter holen?«

Ich musste drei Tage lang eine schwere Erkältung vortäuschen, bevor ich mich wieder in die Schule trauen konnte und wurde von der gesamten Parallelklasse natürlich nie wieder eines Blickes gewürdigt. Derart pubertär traumatisiert konnten die folgenden Jahre nichts anderes als Valentinskatastrophen bereithalten. Von der Trennung beim Herzchendinner über die plötzlich auftauchende heimliche Geliebte bis hin zur Not-OP im Morgengrauen war alles dabei.

Davon werde ich aber lieber zu einem anderen Zeitpunkt berichten, denn jetzt muss ich den Eispickel vom Dachboden holen und den aufdringlichen Dekoherzen in der Nachbarschaft kleine Löcher verpassen aus denen all das Herzblut endlich ungehindert fließen kann.

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

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