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Ein Plädoyer für die präkoitale AufklärungMan weiß vorher nie so genau, wie der potentielle Partner ohne Kleidung aussieht und wovon er im Bett so träumt. Aber noch nie war das die Bandbreite möglicher unverhoffter Entdeckungen so groß wie heute. Die meisten Menschen reden heute relativ offen über Sex, die wenigsten allerdings offen über ihre eigenen sexuellen Präferenzen. Man hat zwar schon so ziemlich alles, was die menschliche Sexualität an Überraschungen bereithält, irgendwann mal im TV gesehen, aber die sonderbaren Menschen dort sind ja immer nur die anderen. Also begutachtet man kopfschüttelnd die anderen auf der Mattscheibe, froh darüber als normal gelten zu können und behält seine schmutzigen kleinen Gedanken weiterhin für sich. Natürlich könnte man bei der Umsetzung der einen oder anderen Fantasie eine Menge Spaß haben, aber so ist der Sex ja auch nicht schlecht und vor allem vermeidet man jedwede Komplikation. Man kann daher ganz gewaltige Überraschungen erleben, wenn man jemanden näher kennenlernt und dieser sich plötzlich auch in intimen Fragen öffnet. Dabei ist es egal, ob man erst dreimal Sex hatte oder bereits seit 15 Jahren verheiratet ist. Vor Überraschungen ist man wohl in keinem Stadium gefeit. Allerdings kann man völlig Unerwartetes heute schon wesentlich früher entdecken als noch vor zehn Jahren und man muss dafür keinesfalls bis zum großen Erotik-Geständnis warten. Es reicht, den Punkt der ersten zarten Küsse hinter sich zu lassen und zum großen Entkleidungsakt zu schreiten. Das war zwar schon immer spannend, denn man konnte nie genau wissen, was einen erwartete, doch die Bandbreite möglicher Entdeckungen ist heute weitaus größer. In Zeiten, in denen selbst hochanständige Zahnärztinnen komplexe Tätowierungen quer über das Dekollete tragen, muss man eben auf mehr gefasst sein als bloß auf Rückenbehaarung oder Unterwäsche mit Tigerfellimitat. Auf nadelgestreifte Investmentbanker z.B., deren konservatives Äußeres nie auf eine genitale Sonderausstattung schließen ließe, die regelmäßig Metalldetektoren und Sicherheitsstaffeln an internationalen Flughäfen in den Wahnsinn treibt. Oder auf Frauen, die zwar keine metallene, aber dafür eine noch viel unerwartetere biologische Ausstattung aufweisen. Ich war ungefähr 25, hatte meine Schüchternheit auch mit dem Eintritt in eine sexuelle experimentellere Phase noch nicht ganz abgelegt und sah mich in einer Bar plötzlich einer Frau gegenüber. Nicht irgendeiner Frau, sondern einem fleischgewordenen Männertraum: Butterblond, ebenso langhaarig wie -beinig mit zarten Gesichtszügen und einer verboten rauchigen Stimme. Nun bin ich kein Mann, entdeckte damals dennoch zartes Interesse am weiblichen Geschlecht und beschloss der Einfachheit halber, dass Männer mit ihren Träumen wohl so falsch nicht liegen können. Als dieses unglaubliche Wesen nun den Blick durch die Bar schweifen ließ, um dann ausgerechnet mir zuzulächeln, riss ich mich irgendwie zusammen, lächelte zurück und fand mich schon kurze Zeit später in ein Gespräch verwickelt wieder. Aus dem Gespräch wurde unter Zuhilfenahme einiger Cocktails nach geraumer Zeit ein eher nonverbaler Austausch, dann eine Taxifahrt und schließlich die Ankunft in ihrer Wohnung. Dort entpuppten sich die Brüste als viel zu perfekt um echt zu sein, was im Zeitalter gutdokumentierten Schönheitswahns nur mildes Erstaunen hervorrufen kann. Etwas später entdeckte ich allerdings etwas, das ich vielleicht hätte ahnen können, wäre ich nicht mehr ganz so naiv gewesen. Etwas, das mich in maßloses Staunen versetzte und dem ich damals absolut nicht gewachsen war. Ihr Schönheitschirurg hatte seine Fähigkeiten ganz offensichtlich auf ihren Oberkörper beschränkt, denn ihr Genitalbereich wies noch die komplette Originalausstattung auf, mit der sie ursprünglich auf die Welt gekommen war. Damals, als in ihrem Pass statt Roberta noch Roberto gestanden haben muss. Und seither bin ich ein ganz energischer Verfechter der präkoitalen Rundumaufklärung. Lyssa Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen: |
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