|
|||||||||||||||||||
Wenn der Vibrator zweimal brummtDas Thema Beziehungsanbahnung per Kontaktanzeige ist auf erstaunliche Resonanz gestoßen. Nicht wenige fragten an, ob ich denn nie per Anzeige gesucht hätte, andere ließen anklingen, dass ich doch sehr hart mit all den einsamen Kuschelbären da draußen umgesprungen sei. Daher sollte ich vielleicht einen Einblick in meine eigene, nicht immer ruhmreiche Vergangenheit als Liebesbedürftige gewähren, bevor ich ein flammendes Plädoyer für die Vorzüge der freien Wildbahn gegenüber dem Sumpf des semi-professionellen Kontaktmarktes halte.
Also wandte ich mich dem bereits bestehenden Angebot zu und glaubte, gleich mit dem ersten Kandidaten meiner Wahl einen Volltreffer gelandet zu haben. Er konnte vollständige, orthographisch korrekte Sätze formulieren, wobei mir erst später bewußt wurde, welch seltenes Glück das in diesen Gefilden ist, er schickte ein umwerfendes Foto, mit dem er sich auf dem Olymp sofort für die Erstbesetzung des Adonis qualifiziert hätte und hatte eine Telefonstimme, die unmittelbar zur Körpermitte durchgestellt wurde. Wir tauschten Adressen, und während ich noch an einem romantischen Tape für ihn bastelte, erreichte mich sein erstes Päckchen. Leider nahm die greise Nachbarin während meiner Abwesenheit das Paket entgegen und rief sofort erschrocken die Polizei, als das Ding in ihrer Wohnung zu vibrieren begann. Die Polizei kam, transportierte ab, untersuchte unter strengsten Sicherheitsauflagen – und fand einen Vibrator. Mein Traummann hatte nämlich weder romantische Anwandlungen noch Beziehungsabsichten, sondern schlicht ein sehr ausgeprägtes Faible für abwechslungsreichen Telefonsex. Es dauerte geraume Zeit, bevor ich meine Gespräche mit Polizei und Nachbarn verwunden hatte und mich dem nächsten vielversprechenden Kandidaten zuwenden konnte. In einem Anfall völlig fehlgeleiteten Heldentums verzichtete ich auf ein Foto, um mich besser auf die inneren Werte des Mannes konzentrieren zu können. Weniger verwirrte Naturen hätten sofort erkannt, dass man sich so bloß ein noch wirklichkeitsferneres Bild anhand der meist beschönigenden Angaben des Mannes zurechtbastelt, das rein gar nichts mit inneren Werten zu tun hat.
Es klingelte, ich öffnete und erblickte ein kleines, dürres Männchen mit einer Vogelnest-Frisur und einem Koffer unter dem Arm. Ich lächelte freundlich, bat ihn herein und deutete auf die Heizung im Wohnzimmer. In meiner Aufregung wurde mir nicht gleich klar, warum das Männchen mich statt der Heizung erwartungsvoll musterte und außerdem mit einer mir wohlbekannten Stimme sprach. Ich hatte doch noch nie mit dem Heizungsmann telefoniert, oder doch? Viel später an diesem Abend, nachdem die Heizung abgelesen und das Männchen zurück auf den freien Markt geschickt worden war, ich unter Tränen eine Familienportion Mousse au chocolat vertilgt und die kläglichen Reste meiner Selbstachtung zusammengefegt hatte, fasste ich einen Entschluss. Ich würde mein Glück künftig doch lieber wieder unter den erschwerten Bedingungen der freien Wildbahn versuchen. Dort, wo man sich zwar auch schnell eine blutige Nase holen kann, aber wo 1,90 noch mindestens 1,88 sind und durchtrainierte Männer Muskeln haben – und nicht die Figur eines passionierten Hungerstreikenden. Lyssa Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen: |
|
|||||||||||||||