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Die Metrosexuellen kommenWir befinden uns mitten im Sommerschlussverkauf. Und zwar nicht nur in irgendeinem, sondern mitten in dem letzten SSV aller Zeiten. Künftig sollen wir unser Geld nicht mehr für den großen Run auf die "Alles-muss-raus"-Preise aufheben, sondern es in kürzeren Abständen wieder dem Geldkreislauf zuführen.
Shopping hat den Ruf, die ureigenste Domäne von Frauen und Schwulen zu sein. Der Rest der Menschheit geht nur dann einkaufen, wenn es sich absolut nicht vermeiden läßt. Und auch dann geht der Mann nur sehr widerwillig in die wenigen Läden seines Vertrauens, ersteht im Eiltempo zwei Hemden, zwei Hosen, einen Pulli, einige T-Shirts (am liebsten gleich im Doppelpack in Schwarz, Anthrazit oder Weiß) und erklärt die Prozedur damit für überstanden. Genug Kleidung, um mindestens sechs Monate über die Runden zu kommen. Gestern quälte ich mich nun zum ersten Mal mit einem eben solchen Mann an meiner Seite durch die überfüllten Modetempel, denn Männer verpassen ungern geschichtsträchtige Augenblicke, ganz egal ob es sich dabei um den Pokalsieg oder den letzten SSV handelt. Leider aber brachte dieser Begleiter nicht die nötigen Voraussetzungen mit, die man braucht, um Geschichte zu schreiben. Er brach schon beim Anblick der leicht ausgestellten Anzughosen ("seit wann trägt man denn so was") in Angstschweiß aus, hatte bei der Anprobe des passenden Hemdes ("krank, einfach nur krank") einen Gesichtsausdruck wie man ihn sonst nur von waidwunden Rehen kennt und umklammerte angesichts der Preise ("waaas, das ist selbst reduziert noch kriminell") panisch seine Kreditkarte. Während ich noch versuchte ihm zu erklären, warum Männer heute guten Gewissens Hemden mit braunen und rosafarbenen Streifen tragen können, sah ich aus den Augenwinkeln, wie zwei Männer gemeinsam das Geschäft betraten. Sie waren ganz offensichtlich nicht schwul, gingen aber trotzdem freiwillig und mit großer Begeisterung einkaufen. Nicht nur das, sie griffen mit der traumwandlerischen Sicherheit eines Einkäufers für die nächste GQ-Modestrecke nach den trendigsten Teilen und verschwanden in den Umkleidekabinen.
Diese erst kürzlich entdeckte Kreuzung aus Mann und Frau soll angeblich ein neues Zeitalter einläuten, in dem Männer nicht mehr heimlich weinen müssen, sondern sich endlich auch öffentlich zu ihrer sanften, weiblichen Seite bekennen können. Sie dürfen weiterhin heterosexuell verkehren, sich aber trotzdem noch femininer als die meisten Frauen gebärden. Wenn man den Aussagen erfahrener Trendscouts glauben darf, dann gehören zu den unverzichtbaren Accessoires eines echten Metrosexuals wie etwa David Beckham neben den sorgsam manikürten Fingernägeln und dem gesundheitsbewußten Innenleben seines Kühlschranks auch diverse Bekleidungs- und Einrichtungsratgeber der gehobenen Art sowie natürlich vorzeigbare schwule Freunde. Was wirklich dran ist an dem neuen Mann, kann ich frühestens nächste Woche an dieser Stelle berichten. Bis dahin werde ich eines der beiden Exemplare auf seine Tauglichkeit als Begleiter bei diversen Abendaktivitäten getestet haben. Alles natürlich nur im Interesse der Wissenschaft, versteht sich. Lyssa Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen: |
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