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Zeigt her Eure FüßeSchon im Tanzkurs wollte niemand mit dem Mädchen auf den großen Füßen in den klobigen Herrenschuhen tanzen und ohne die Hilfe einer Transe aus der niedersächsischen Provinz hätte sich wohl bis heute nicht viel daran geändert. Am Samstag lobte ein mir bis dahin weitestgehend unbekannter Mann mein extravagantes Schuhwerk und machte mich damit glücklicher, als er sich je vorstellen kann. Denn was für andere, ganz normale Frauen vermutlich an der Tagesordnung ist, kommt für mich einer Auszeichnung durch die Queen gleich. Anerkennung für meine Schuhe hat einen ähnlich hohen Seltenheitswert wie die Sichtung eines Parnassius przewalskii.
Ich musste mir meine Füße auch nicht erst mühsam mit falschem Schuhwerk verderben, ich bin schon mit verhunzten Füßen auf die Welt gekommen. So richtig bewusst wurde mir das allerdings erst, als ich mit 13 den ersten Tanzstunden entgegenfieberte. Während meine Freundinnen bereits stolz die neuerworbenen Lackschuhe mit allerhand unsäglichem Tüdelüt darauf vorzeigten, schleppte mich meine Mutter in einem letzten, verzweifelten Versuch in die Herrenabteilung. Allerdings erst, nachdem sie einen kritischen Blick auf den unteren Abschnitt meiner Beine geworfen hatte: »Kind, deine Füße passen zwar irgendwie zu den breiten Fesseln, den Fußballerwaden und den Pferdebeinen, aber von mir hast du diese undamenhaften Quanten nicht. Und du solltest sie für den Rest deines Lebens als Frau in hohen Stiefeln verstecken.« Woran ich mich seither zu halten versuche. Als ich mit etwa 23 beschloss, nicht den Rest meiner Tage auf flachen Herrenschuhen zu verbringen, musste ich erst ein bevorzugt von Transen frequentiertes Geschäft auf der Reeperbahn ansteuern, um die perfekten High Heels in 42 zu finden. Dafür fand ich dort gleich eine gewaltige Auswahl und mit Tina LaRue, die von 9 bis 17 Uhr Olaf hieß und als Versicherungsvertreter niedersächsische Kleinstädte abklapperte, die ideale Beraterin. Tina brachte mir außerdem in einem schmerzhaften Schnellkurs bei, wie man auf den Dingern läuft, ohne dabei auszusehen wie eine Sonnenstudiomitarbeiterin mit Fußpilz (»Du hast nun mal einen Prachtarsch, also schwing ihn auch, Kleines, aber schön langsam«). Und garantiert besitze ich nur deshalb eine zu den wenigsten Anlässen wirklich passende Auswahl an High Heels mit durchsichtigem Hartplastik- oder wahlweise martialischem Metallabsatz, mit Diskoglitter oder Rotkreuz-Emblem und diese entzückenden, natürlich zum Negligé passenden Pantoletten mit Puschel oben drauf. Und dennoch: Während andere Frauen schon beim Betreten eines teuren Schuhgeschäfts ihren erste Orgasmus bekommen, rangiert der Schuhkauf in normalen Läden auf meiner persönlichen Skala des Grauens weiterhin nur knapp hinter der alljährlichen Frühsommer-Bikinifolter in grell ausgeleuchteten, zellulitefördernden H&M-Kabinen. Nach beiden Aktionen würde ich am liebsten den Rest des Jahres am Polarkreis verbringen, in dicke Schutzanzüge mit Pelzbesatz und noch dickere und absolut geschlechtsneutrale Schneestiefel verpackt. Deshalb kann ich mich mit den Protagonistinnen amerikanischer Kultserien auch höchstens solange identifizieren, wie sie über Jobs, Männer oder Sex reden. Sobald jedoch eine der Ladies mit entrücktem Blick ein Schuhgeschäft betritt, schalte ich pikiert den Fernseher aus. Ja, das ist reiner Neid, weil Füße wie meine im Universum Manolo Blahniks nicht vorgesehen sind. Aus genau diesem Grund trete ich auch die Flucht an, wenn mir ein Mann gesteht, dass er fanatischer Fußfetischist ist und gerne meine Zehenzwischenräume mit der Zunge reinigen würde. Über alle anderen Kinks ließe sich ja reden. Soll er meinetwegen vor, nach oder anstelle von Sex in einen Ganzkörperlatexanzug gehüllt mein Badezimmer mit der Zunge reinigen und anschließend im Hundekörbchen übernachten. Hauptsache er hält sich von meinen Füßen fern. An die lasse ich höchstens Tina und ihre Acrylnägel. Lyssa Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen: |
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