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Der Waschsalon-MythosDie Mär vom wunderbaren Waschsalon als großstädtischer Begegnungsstätte mit extrem hohem Flirtfaktor geistert unausrottbar durch das kollektive Bewusstsein unserer Generation. Festgesetzt hat es sich nicht zuletzt dank Film und Fernsehen vor allem in den Köpfen derjenigen, die noch nie das Pech hatten, mangels eigener Waschmaschine regelmäßig einen solchen Waschsalon aufsuchen zu müssen.
Es mag natürlich sein, dass es irgendwo in der Weite Iowas diesen einen wunderbaren Waschsalon gibt, in dem sich zwei sonderbare Menschen treffen, über den Rand ihrer frischgewaschenen Levi's hinweg als verwandte Seelen erkennen und fortan in Liebe vereint über die Felder wandern, aber im Einzugsbereich der allermeisten Großstädter gibt es einen derart verzauberten Ort nicht. Im Gegenteil, in den meisten Waschsalons verliert sich die Lust auf zwischenmenschliche Interaktion bereits kurz nach dem Betreten in jenem feuchten Heißluftnebel, der wie ein universelles Markenzeichen durch jedes dieser Etablissements wabert. "Hey, feucht-heiße Dschungelluft, da möchte man sich doch gleich die Klamotten vom Leib reißen", mag da derjenige denken, der immer wieder hoffnungsfroh in den Kühlschrank guckt, um zu kontrollieren, ob der Jeans-Werbemann schon da war und sich die gekühlte Hose auf den makellosen Hintern gezerrt hat. Leider sind die einzigen, die sich in Waschsalons je etwas vom Leib reißen, Junkies bei ihrer Auffrischungskur und Obdachlose, die dort im Winter ihre Stullen vertilgen und ihren Socken etwas Frischluft verordnen, was in Kombination mit dem Geruch von schalem Bier weder visuell noch olfaktorisch anregend wirkt. Wenn man sich erst einmal durch den Nebel gekämpft und seine Sachen in mehreren Maschinen verstaut hat (die man vorher unbedingt auf Überbleibsel des Vornutzers untersuchen sollte - das kann von farbenfrohen Socken in der Weißwäsche bis hin zu gebrauchten Kondomen gehen), dann findet man sich meist in Gesellschaft von drei unterschiedlichen Gruppen wieder. Zur ersten Gruppen gehören Rentner, die den wöchentlichen Waschgang als soziales Event außerhalb ihrer Seniorenkegelgruppe nutzen und unbedarften Waschanfängern auch ungefragt gern mit hilfreichen Tips zur Seite stehen.
In die letzte Kategorie fällt jene Sorte Mann, die man außerhalb des Waschsalons fast nur in der Computerliteraturabteilung der örtlichen Bibliothek oder im universitären Schachclub antrifft. Meist signalisiert schon das Fachbuch vor seiner Nase und die angespannte Sitzhaltung, dass eine freundliche Annäherung zwar vielleicht nicht unerwünscht ist, aber aus kommunikativer Unerfahrenheit unerwidert bleiben wird. Spätestens aber, wenn man dem Mann beim Falten seiner frischen Wäsche zusieht, erlischt ohnehin jegliches Interesse an einem erotischen Intermezzo, denn dieser Mensch legt seine Wäsche mit mehr Hingabe zusammen als der Papst bei der Verdammung vorehelichen Geschlechtsverkehrs aufbringen könnte. Man befürchtet unweigerlich, dass die Bandbreite seiner sexuellen Möglichkeiten auf demselben DinA4-Blatt Platz haben wird, auf das sich sein T-Shirt beschränken muss. Vor allem sollte man Männern nie beim Falten ihrer etwas ausgeleierten, feingerippten Unterwäsche zusehen, bevor man nicht Gelegenheit hatte, ihnen selbige ungeduldig vom Körper zu zerren. Die übliche postkoitale Ernüchterung tritt sonst noch vor der ersten gemeinsamen Nacht ein. Natürlich ist es möglich, dass es auch positive Ausnahmeexemplare in öffentlichen Waschanstalten gibt, nur sind sie mir dann leider noch nie begegnet, weder hier noch in England oder in der Schweiz. Interessante Männer scheinen ihre Wäsche lieber bei ihren schwulen Freunden zu waschen, die prinzipiell nie in Wohnungen ohne eigene Waschmaschine ziehen. Falls ich dem einen oder anderen Unrecht getan habe, dann schreibt mir doch bitte kurz eine Mail und ich verrate Euch gern die Adresse meines Waschsalons. Kommt vorbei und widerlegt meine These von der Unwirtlichkeit des Waschsalons. Lyssa Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen: |
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