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Mr. Metrosexual unter der Lupe

Nachdem ich in der letzten Woche so vollmundig versprochen hatte, genaueres über die metrosexuellen Männer zu berichten, musste ich meine tiefsitzende Schüchternheit überwinden und einen der beiden Exemplare aus dem Café irgendwie vom Cappuccino zum Date bewegen. Das ging leichter als erwartet, denn offensichtlich fühlt sich diese neue Spezies nicht mehr in ihrem Status bedroht, wenn man als Frau die Initiative ergreift.

Freitag abend trafen wir uns dann zum Essen in einem dieser auf Understatement bedachten Restaurants, die als Hauptgericht Trendsetting mit einigen teuren, aber kalorienarmen Beilagen führen und jeweils nur für wenige Monate guten Gewissens besucht werden dürfen, bevor sie dann der breiten Masse zum Opfer fallen.

Streifen, die für manchen die Welt bedeuten.
Foto: sxc.hu
Mr. Metrosexual begrüßte mich an der Tür mit einem Lufthauch auf die Wange und in einem schwarzen Anzug, den beidseitig sehr deutliche Adidas-Streifen zierten, die auch auf den weißen Retro-Style-Turnschuhen zu finden waren. Leider wußte ich das nicht wirklich zu würdigen, denn ich komme aus einer Region, in der man drei breite Streifen automatisch mit ballonseidenen Jogginganzügen assoziiert und keine anständige Frau je mit jemandem ausgehen würde, dessen Haut in den letzten fünf Jahren mit Ballonseide in Berührung kam.

Die Fingernägel hatte er zur Feier des Tages von zart rosé umlackiert in ein schillerndes Metallic-Grün, das man in freier Wildbahn sonst nur bei einigen Reptilien oder besonders seltenen Aras findet. Sein winziges Handy, das ich nicht mal in meinem kleinen Versace Clutch Bag auf Anhieb wiedergefunden hätte, hing ihm dekorativ um den Hals. Ich hielt das für einen ironischen Gag, bis es im Laufe des Abends tatsächlich irgendwann zu blinken begann. Der Anblick erinnerte mich ein wenig an kleine Kinder, denen man ein Adress-Schild um den Hals hängt, wenn sie allein Zug fahren müssen.

Die Konversation drehte sich überwiegend um wichtige Printmedien, die in keinem modernen Haushalt fehlen dürfen ("Wallpaper allein genügt heutzutage auch nicht mehr") und um den aktuellen Klatsch aus der internationalen Modeszene ("Also, Anna Wintour soll gesagt haben, dass ..."). Außerdem darum, wie sich der New York Loft Style in deutschen Großstadtwohnungen umsetzen lässt und natürlich um elementare Pflegeprodukte aus Übersee, in denen mehr High-Tech stecken muss als in dem winzigen kleinen Handy, weswegen die Augencremes auch fast mehr kosten.

Drei Stunden später fiel mir die Entscheidung leicht, den Abend nicht auszudehnen oder womöglich im privateren Bereich ausklingen zu lassen. Ich konnte mir auf keinen Fall vorstellen, Mr. Metrosexual mit in meine Wohnung zu nehmen, die nur nach persönlichem Geschmack, aber völlig prinzipienfrei gestaltet ist oder gar ihm einen intimen Blick auf meine vermutlich völlig unzureichenden Pflegeprodukte im Bad zu gestatten.

Mit so wenig Seife kommt wahrscheinlich kein Metrosexueller aus...
Foto: sxc.hu
Ich verspürte auch kein Bedürfnis, seine sehr fachmännisch gestylte Wohnung persönlich in Augenschein zu nehmen. Noch weniger lag mir daran, seine aus den USA importierten, x-fach gekämmten, farblich mit der Astrologin abgestimmten und dank einer bestimmten Fadenstärke extrem teuren Laken zu zerwühlen oder, nicht auszudenken, einen Fleck darauf zu hinterlassen.

Offensichtlich bin ich doch zu altmodisch für diesen neuen Typ Mann. Ich mag zwar Männer, die Gefühle zeigen können und bin sehr froh, daß sich nicht mehr länger nur Frauen für ausgiebige Körperpflege begeistern können. Ich kann sehr gut auf Begegnungen mit Männern in der Sauna verzichten, bei denen das überlange Haupthaar ansatzlos in die üppige Rückenbehaarung übergeht. Und ich finde es sehr bedauerlich, daß nicht schon viel mehr den nötigen Mut für einen dieser sexy Männerröcke oder meinetwegen auch dezenten Nagellack aufbringen.

Aber ich möchte nicht neben jemandem aufwachen, der mehr Kosmetika mit sich herumschleppt als Liz Taylor, im Bad noch länger braucht als alle meine schwulen Freunde zusammen und mir dann am Frühstückstisch die Biotin-Tabletten für starke Fingernägel klaut. Und nicht zuletzt, seien wir doch mal ehrlich Ladies, wollen die meisten von uns einen echten Kerl im Bett, einen gepflegten zwar, aber nicht einen der laut aufschreit weil ihm der Lack von den Nägeln gesplittert ist oder man ihm in einem unbedachten Augenblick die Brusthaarfrisur zerwühlt hat.

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

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