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Schreiben ist sexyEs genügt nicht, dass man im Internet die Adresse eines Swingerclubs oder einer erotischen Party ausfindig machen, dorthin fahren und den oft nicht unerheblichen Eintritt zahlen kann. Nein, der Trend verlangt nach einem ansprechenden Äußeren und der Fähigkeit, sich schriftlich einwandfrei auszudrücken. Wer da versagt, dem bleibt der Eintritt ins sexuelle Wunderland künftig versperrt. Die Zeiten sind hart geworden und das gilt längst nicht nur für den Arbeitsmarkt. Den Anforderungen, welche die moderne Gesellschaft an eine erfolgversprechende Balz knüpft, kann man nicht lässig mit einem glattgebügelten Lebenslauf und einer am heimischen PC gedruckten Visitenkarte mit der Aufschrift »Consultant« begegnen. Das mag für Gersters Ich-AG genügen, aber nicht für die Anwartschaft auf eine Wir-GmbH. Ein abwechslungsreicher Lebenslauf, der ausreichend spannende Anekdoten für die ersten drei Verabredungen hergibt (mit »damals in Indien« werden heute natürlich Erzählungen über das eigene Multimedia-Venture und nicht mehr über Besuche im Ashram eingeläutet) ist hilfreich, aber zur ersten Verabredung gelangt nur, wer optisch gewisse Voraussetzungen erfüllt. Frauen müssen langbeinig und -haarig sein, aber natürlich nicht in unmittelbarer Kombination. Die Haare gehören selbstverständlich auf den Kopf und nicht auf die zarten Gazellenbeinchen. Männer sollten nicht nur im Anzug eine Figur machen, sondern müssen auch noch in der ausgewaschenen Jeans und dem weißen T-Shirt Begehren wecken. Und ein weißes T-Shirt verzeiht wirklich nichts, schon gar nicht die Abwesenheit gestählter Bauchmuskulatur. Vorreiter dieses Trends scheinen die sexuellen Subkulturen zu sein. Nirgendwo wird ein makelloser Körper mehr zelebriert als bei den Schwulen. Aber auch Heteros müssen sich gewaltig anstrengen, wenn sie nicht nur Bildchen aus dem Internet ziehen, sondern ihre ungewöhnlichen Vorlieben auch in die Tat umsetzen wollen. Eine Existenz im sexuellen Randbereich entschuldigt schon lange keinen Bierbauch unter dem knotigen Wollpullover mehr. Wer liebevoll gewisse Bekleidungsfetische hegt, sollte im Latexfummel oder ähnlichem besser nicht der traditionellen Wurst im Naturdarm gleichen, zumindest nicht, wenn er hofft, auf einschlägigen Veranstaltungen Gleichgesinnte kennenzulernen. Die Türsteher bei solchen Veranstaltungen könnten einer Domina noch einiges beibringen in Punkto Strenge und Konsequenz. Einen vorläufigen Höhepunkt hat dieser harte Selektionsprozess in New York, der Stadt der Schönen und Reichen gefunden. Dort kennt man schon länger erotische Parties, zu denen nur diejenigen Einlass erhalten, die genau in das Schema »schlank, schön, trainiert und zwischen 21 und 40 Jahre alt« passen. Bei besonders begehrten Veranstaltungen kommt sogar nur auf die Gästeliste, wer die Erfüllung dieser seligmachenden Kriterien durch eine Begutachtung im Vorfeld der Party nachweisen kann. Doch natürlich lässt sich auch das noch überbieten. Eine Veranstalterin hat jetzt nämlich zur Einlassbedingung erhoben, was viele von uns Frauen schon immer als Voraussetzung für Paarungsbereitschaft gesehen haben: Sicherheit in Wort und Schrift. Wer sich bei ihr zu einer frivolen Feierlichkeit anmelden möchte, muss nicht nur ein Bild beilegen, sondern seine Motive vorher in einem stilistisch ansprechenden und orthographisch einwandfreien Essay darlegen. Das ist endlich mal ein Selektionskriterium, dem ich aus tiefstem Herzen zustimmen kann. Lyssa Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen: |
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