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Barbie und Ken beim Zahnarzt

An manchen Tagen gebe ich mich gern der Illusion hin, oder vielleicht sollte ich lieber naive Hoffnung sagen, dass es gar nicht so schlecht bestellt ist um all die einsamen Herzen und ihre Kontaktkultur da draußen. Aber genau an solchen Tagen gerät mir meist irgendein Dokument in die Hände, welches mich aus meiner süßen Seligkeit reißt. So auch vor wenigen Tagen, als ich im Wartezimmer meines Zahnarztes zu einer bekannten Frauenzeitschrift griff.

Ist die frühkindliche Prägung durch Barbie doch nachteiliger für die persönliche Entwicklung als man bislang glaubte?
Foto: sxc.hu
Als sei so ein Zahnarztbesuch allein noch nicht unangenehm genug, musste ich mir natürlich zuerst das beiliegende Heft vornehmen, mit dessen Hilfe beziehungswillige Singles an den passenden Partner gebracht werden sollen. Um grobe Missgriffe gleich im Vorfeld auszuschließen, werden die Männer und Frauen darin mit Bild, den wichtigsten Eckdaten wie Alter, Beruf und Größe in Höhe und Breite sowie einem kurzen Fragebogen vorgestellt. Die Lektüre der Fragen und Antworten überstieg meine schlimmsten Erwartungen und lässt einige meiner letzten Kolumnen geradezu schmeichelhaft aussehen.

Natürlich wurde zunächst nach dem Traummann, bzw. der Traumfrau gefragt und das Ergebnis bei beiden Geschlechtern lässt vermuten, dass die frühkindliche Prägung durch Barbie und Ken doch nachteiliger für die persönliche Entwicklung ist als man bislang glauben wollte. Die Traumfrau soll möglichst eine "lange blonde Löwenmähne und einen unglaublich schönen Körper" haben und "aufgestylt sein und sich als Luder präsentieren" oder doch bitte gleich aussehen wie Michelle Hunziker, der Mann hat am besten "einen Knackpo und starke Arme". Aber natürlich hat keiner der Kandidaten vergessen, den "supertollen Charakter" zu erwähnen, der sich in aller Kürze etwa so zusammenfassen lässt: nett, ehrlich, romantisch, tierlieb und natürlich treu.

So ungefähr waren früher Barbie und Ken, nur dass ich meine Exemplare meist wohlverschnürt und an einen Behelfsfallschirm aus alten Taschentüchern gebunden vom Dach der Hundehütte hab fallen lassen. Was wiederum mehr über meine Partnerschaftsvorstellungen aussagt als mir lieb sein kann, aber da das hier meine Kolumne ist, wende ich mich auch gleich wieder den Schwächen anderer Menschen zu.

Die Frage danach, was man am liebsten bügelt, scheint auch noch aus der Zeit zu stammen, als die Autoren dieses heiteren Fragespiels Barbies komplette Haushaltsausstattung inklusive rosarotem Minibügeleisen unterm Weihnachtsbaum vorfanden. Entsprechend häufig fiel die ungemein scherzhafte Antwort: "Die Traumfrau." Der Rest der Kandidaten scheint bevorzugt Unterwäsche zu bügeln, wobei besonders auffällt, dass sowohl Männer als auch Frauen überwiegend Strings tragen – oder diese zumindest bügeln, was bei mir ein leichtes Unbehagen aufkommen lässt, weil ich noch nie in meinem Leben Unterwäsche gebügelt habe.

Die Antworten aus der Kategorie Erotik sind ebenso perfekt dazu geeignet, Mattels Marketingstrategen zufriedenzustellen. Viele Frauen bevorzugen ihren Traummann mit dem Knackpo im Bett frischgeduscht und gründlich rasiert. Vorbei die Zeiten, in denen guter Sex meist auch schmutzig war. Heutzutage hat man nicht nur keimfreie Müllbeutel, sondern auch keimfreien Geschlechtsverkehr. Einige Männer hingegen denken bei dem Punkt Erotik gar nicht erst an den Zustand ihrer Partnerin, sondern begnügen sich mit ihrem eigenen Po, den Spiegeln in ihrem Schlafzimmer oder antworten auf die Frage nach dem, was sie erotisch finden sehr direkt: "mich".

Beim Thema Angst sind sich die Geschlechter wieder sehr einig und antworten meist sehr politisch korrekt. Ganz oben rangieren Krieg, Faschismus und Intoleranz. Erfrischend konkret wirkt da eine Frau, die sagt, sie hätte Angst davor schwanger zu werden und den Erzeuger nicht zu kennen, was dem Leser höchst interessante Einblicke in ihr Intimleben gestattet. Ich bin allerdings immer noch sehr versucht, ihr über die Redaktion eine Großpackung Kondome und ein kleines ledergebundenes Heft zwecks genauerer Buchführung zukommen zu lassen.

Auch bei der Frage "Worauf sind Sie stolz?" herrscht weitestgehend Einigkeit. Die eindeutigen Sieger sind "Mami und Papi" oder wahlweise "Omi und Opi". Eine entzückende Ausnahme machte da nur die junge Frau, die eigentlich ein Mann und vor allem auf ihren "schwulen Papi" stolz ist.

Etwas aufschlussreicher waren in dieser Abteilung einige mutige Männer, denen man allerdings nicht immer zu ihrem Mut gratulieren kann. Wer möchte schon einen Mann, der stolz darauf ist, dass er lügen kann, ohne dass man es merkt? Und wer einen, der stolz auf seine Bananensammlung ist oder darauf, dass er noch ein Kind ist? Mit gewisser Vorsicht ist vermutlich auch jemand zu genießen, der seinen Intellekt und sein dichterisches Talent anpreist. Es könnte passieren, dass man am nächsten Morgen beim Aufwachen solche oder ähnliche Ergüsse auf dem Kopfkissen wiederfindet:

In dunkler, frischgeduschter Nacht,
ward ich von dir um den Verstand gebracht,
deine blonde Mähne kitzelte mein Gemüt,
drum kam ich auch etwas verfrüht,
ich entschuldige mich mit diesem Gedicht,
und bin sehr auf eine weitere Chance erpicht.

Lyssa

Wer nicht bis zum nächsten Dienstag warten kann, kann täglich Lyssas Tagebuch lesen:
http://www.lyssas-lounge.de/peepshow

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